Eine Billion Dollar
kleine Wandelgang durch das Gewächshaus mit den tropischen Pflanzen. John blieb am Rand sitzen, baumelte mit den Beinen im Wasser und sah ihr nach, wie sie sich treiben ließ, auf dem Rücken liegend, die Augen geschlossen, und wie sanfte Wellen von ihr ausgingen und den Beckenrändern entgegenstrebten. Lichtreflexe tanzten über das in Blautönen gehaltene Deckenmosaik und die künstlichen Felsen, von denen man einen kleinen Wasserfall herabrieseln lassen konnte, wenn man wollte.
»Machst du das?«, fragte sie prustend, als sie zurückgepaddelt kam. »Jeden Morgen ein paar Bahnen schwimmen?«
John grinste verlegen. »Eigentlich eher nicht.«
»Dann verdienst du so ein Schwimmbad nicht.« Sie stieß sich von der Wand ab, tauchte unter, kam wieder hoch und schüttelte den Kopf, dass die langen nassen Haare flogen. Sie sah hinreißend aus.
»Hey«, rief er, »hast du so einen Sichtschutz schon mal gesehen?« Entsprechende Schalter waren, spritzsicher versiegelt, überall entlang des Beckens angebracht. Er drückte einen davon, und wie durch Zauberhand wurden die großzügigen Glasscheiben, die aus der Schwimmhalle hinaus in den Garten gingen, milchig und undurchsichtig. Das war der letzte Schrei und atemberaubend teuer gewesen.
Ursula hatte es mit konsterniertem Blick verfolgt. »Was war denn das?«
» Piezo -irgendwas, ich hab die genaue Bezeichnung vergessen. Solange der Strom fließt, ist das Glas absolut undurchsichtig, lässt aber noch genauso viel Licht herein wie vorher.«
»Schön, und wozu?«
»Na ja«, meinte John behutsam, »damit einen niemand beobachten kann. Ich meine, wir… könnten zum Beispiel nackt baden. Wenn wir wollen. Oder… alles Mögliche…«
Es war ein undeutbarer Blick, mit dem sie ihn bedachte. »So heimisch fühle ich mich noch nicht«, sagte sie und verschwand unter Wasser. Lange. Ein farbiger Schemen, der in schimmernden Tiefen dahinglitt.
»Ich meinte ja bloß«, murmelte John und drückte den Knopf, der dem Glas seine Durchsichtigkeit wieder zurückgab.
Man konnte sich daran gewöhnen. An den elegant gedeckten Frühstückstisch, das immer frische Handtuch neben der immer frisch geputzten Dusche, an die Viertelstunde professioneller Massage vorher. Die Räume, in denen sie tatsächlich schliefen und wohnten, waren durchaus geschmackvoll und gediegen eingerichtet und wie von Zauberhand stets sauber und aufgeräumt. Daran konnte man sich gewöhnen, doch.
Und das war also London, was da jenseits der getönten Scheiben aus Panzerglas zu sehen war. »Ich war jetzt zwei Monate lang nicht im Büro«, hatte John gemeint und sie gebeten, mitzukommen und seinen Partner und Geschäftsführer kennen zu lernen, Malcolm McCaine.
Sie war noch nie in London gewesen, und in Großbritannien auch nicht. Dem Linksverkehr zuzuschauen verursachte ihr gelindes Unbehagen, weswegen sie sich auf die Betrachtung des Stadtbildes konzentrierte. Es gab tatsächlich Männer, die Bowlerhüte und spitz gerollte Regenschirme trugen, unglaublich! Entsprechende Strichzeichnungen in ihrem alten Englischbuch hatte sie immer für Karikaturen gehalten.
Der Name Malcolm McCaine war ihr, wie wohl jedem Erdenbürger, so geläufig wie der Name des amerikanischen Präsidenten. Der Boss von Fontanelli Enterprises, dem größten Konzern der Geschichte. Der Mann, der ein Gehalt von hundert Millionen Dollar im Jahr erhielt. Der Mann, den die Hälfte der Wirtschaftsjournalisten für den begnadetsten Manager des Planeten hielt und die andere Hälfte für einen stümperhaften Blender.
Aber sie hätte ihn nicht erkannt, wäre er ihr auf der Straße begegnet. Man hatte ihn so gut wie nie im Fernsehen zu sehen bekommen. Die Zeitungen schienen alle nur ein einziges Foto von ihm im Archiv zu haben, und dasselbe noch dazu. Van Delft hatte ihr erzählt, vor einem Jahr habe ein australisches Wirtschaftsblatt McCaine zum Manager des Jahres 1996 erklären wollen, aber er habe dem Reporterteam keinen Fototermin gewährt und kein Interview, sodass das Vorhaben gestorben war.
Der Chauffeur tat ihr den Gefallen, am Buckingham Palace vorbeizufahren, über den Trafalgar Square und ein Stück an der Themse entlang, sodass sie einen Blick auf Big Ben werfen konnte. Es gab sie also alle wirklich, diese legendären Bauwerke! Nach all den Reisen begeisterte sie eine solche Entdeckung immer noch.
Dann Hochhäuser, alte und moderne, Banken und Versicherungen, weltbekannte und unbekannte. Vor einer der Bauten bog der Wagen ab, hielt,
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