Eine Billion Dollar
Sicherheitsleute schwärmten aus, sahen sich um, als seien sie in ein Kriegsgebiet geraten, und erst auf ihren Wink hin durften sie aussteigen und in das gläserne Foyer eilen. Ein nonchalantes kleines Schild verkündete Fontanelli Enterprises Headquarters , so understated, dass sie es beinahe übersehen hätte.
Geleitzug zum Aufzug, in dem ein echter Picasso an der Wand hing, effektvoll angestrahlt und sicherlich ebenso effektvoll gegen Diebstahl gesichert. Es ging aufwärts, und mit jedem Meter konnte man sich einbilden zu spüren, wie man dem Mittelpunkt der Welt näher kam, dem einzig gültigen Machtzentrum des ausgehenden zwanzigsten Jahrhunderts. Der Gong, der endlich das Aufgleiten der Türen untermalte, klang, als verkünde er die Ankunft zu Füßen des Throns, von dem aus der Gottvater das Erdenrund regierte.
»Miss Valen«, vernahm sie eine dunkle Stimme, und nun erkannte sie ihn doch. McCaine. Er schüttelte ihr die Hand, verneigte sich leicht, lächelte, sagte: »Erfreut, Sie kennen zu lernen«, und schien es auch zu meinen.
John begrüßte er nicht weniger erfreut. »Gut sehen Sie aus«, erklärte er, »die tropische Sonne hat Ihnen gut getan. Und Sie haben die Dame Ihres Herzens gefunden, wie ich sehe…?«
Es war ihr fast peinlich, wie John daraufhin strahlte. Wie ein Schüler, der ein Lob von einem Lehrer erhält, den er anhimmelt. Sie musste wegsehen, die überbordende Pflanzenfülle zwischen den Sitzgruppen ringsum betrachten: Orchideen, Farne und Sträucher, der reinste Urwald unter tiefhängenden Tageslichtlampen.
Sie führten sie in den Konferenzraum, dessen Atmosphäre von Macht und Größe ihr fast das Herz stehen ließ, und durch die Büros. Während Johns Büro unbewohnt wirkte, atmete das McCaines unermüdliche Betriebsamkeit. Die Weltkarte hinter seinem riesigen Schreibtisch, in bestürzendem Maße Fontanelli-rot eingefärbt, verriet, dass hier das eigentliche Zentrum aller Dinge war. John mochte der Besitzer all dessen sein, er war dennoch nur zu Gast.
Dann ging es einen Stock tiefer ins Casino, ein eigenes kleines, luxuriös ausgestattetes Restaurant, wo sie gemeinsam zu Mittag aßen. McCaine gab sich umgänglich, wenn auch die brodelnde Energie, die von ihm ausstrahlte, in manchen Momenten etwas Unheimliches, beinahe Beklemmendes hatte. Er befragte sie nach ihrem Leben und ihren Vorlieben und hörte interessiert zu, wenn sie antwortete, wobei sie jedoch das Gefühl nie ganz los wurde, dass er alles, was sie ihm erzählte, längst wusste.
»Es hat sich eine Menge getan, während Sie unterwegs waren«, sagte er zu John und fuhr, Ursula mit einem kantigen Lächeln bedenkend, fort: »Aber damit will ich Ihre Begleiterin jetzt nicht langweilen.«
John nickte ernsthaft. »Ich komme demnächst wieder regelmäßig ins Büro. Morgen schon, denke ich.«
»Nur keinen Stress«, winkte McCaine ab. »Wir haben alles im Griff. Und dass ich mir ein Privatleben abgewöhnt habe, brauchen Sie nicht zum Anlass zu nehmen, Ihres ebenfalls zu ruinieren.«
Das Essen war gut. Die Aussicht war traumhaft. McCaine empfahl ihr, erst einmal ausgiebig auf Shopping-Tour zu gehen und dann das Londoner Kulturleben zu erkunden. »Ich bin zwar nicht mehr auf dem Laufenden«, gestand er, »aber wie man mir sagt, ist nach wie vor eine Menge los.« Ursula versprach, darüber nachzudenken.
»Ein bemerkenswerter Mann, dieser McCaine«, meinte sie auf der Rückfahrt zu John.
Der nickte. »Kann man so sagen.«
»Im Grunde macht er alles, nicht wahr? Er ist es, der die Geschäfte führt. Der alles entscheidet.«
»Na ja – aber ohne meine Unterschrift geht nichts«, verwahrte sich John sofort. Ursula musterte ihn aufmerksam. Dieses Thema schien ihm unangenehm zu sein.
»Das war nicht als Kritik gedacht«, sagte sie. »Ich habe nur gefragt, weil ich verstehen will, was vor sich geht.«
John blickte grimmig drein. »Er ist Geschäftsführer. Wie der Name sagt, führt er die Geschäfte. Aber er ist mein Angestellter. Ich bin derjenige, dem alles gehört.«
»Aber du unterschreibst das, was er dir vorlegt, oder? Oder sagst du manchmal ›nein, das machen wir anders‹?«
»Das könnte ich jederzeit sagen, natürlich. Es hat sich bloß noch nie eine solche Situation ergeben. Weil er zufällig ziemlich gut ist und nicht auf dumme Gedanken kommt.«
Sie stocherte in einer Wunde herum, das war sonnenklar. Einer Wunde, von der John nicht einmal wusste, dass er sie hatte. »Kannst du denn das beurteilen?«, fragte sie,
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