Eine Billion Dollar
Medikamente unerschwinglich teuer machen und die Forschung an Impfstoffen bis zur Bedeutungslosigkeit reduzieren. Sachliche Gründe dafür ließen sich immer finden; zur Not würde man mit dem shareholder value argumentieren, der zurzeit in zunehmendem Maß wieder gesellschaftsfähig wurde und zu einem sakrosankten Grund für jede unternehmerische Entscheidung zu werden versprach.
Das Telefon klingelte, trotz Anweisung. Er griff nach dem Hörer. »Ja? Ah. Verstehe. Mit seiner Freundin? Na, so was! Gut, danke, dass Sie mir Bescheid gegeben haben.« Chris O’Hanlon war der zuverlässigste Berichterstatter unter den Leibwächtern, das musste man ihm lassen.
McCaine schloss die Aktenmappe und trug sie zurück an ihren Platz im Schrank. Er würde sich beizeiten Gedanken machen müssen über eine größere Kontrolle von Lebensmitteln, Saatgut und Impfstoffen, aber nicht heute. Man würde Waffen brauchen, um einst die letzten Festungen der Zivilisation gegen anstürmende Barbaren verteidigen zu können. Auch das erforderte beträchtliche Umschichtungen ihres Portefeuilles, und er hatte noch nicht den Schimmer einer Ahnung, wie er John Fontanelli davon überzeugen würde.
39
Er besaß tatsächlich ein Schloss. Sie konnte es kaum glauben, nicht einmal, als sie vor einem schmiedeeisernen Tor darauf warteten, dass die beiden mit dem dunkelroten Fontanelli- f verzierten Flügel den Weg freigaben. Nicht genug, dass sie mit einem kleinen Jet geflogen waren, den sie ganz für sich gehabt hatten, und von einer dieser lang gestreckten, schwarzen Limousinen abgeholt worden waren, in der sie sich vorgekommen war wie im Film – nun gab es dieses Schloss, von dem John immer wieder geredet hatte, tatsächlich. Sie hatte es die ganze Zeit für einen Scherz gehalten.
Grau, trutzig, riesig tauchte es hinter dem Hügel auf, ein unglaubliches Anwesen und ihr seltsam unpassend erscheinend für jemanden, der einfach nur Geld besaß, keine auf Generationen von Herrschern zurückblickende Familie. Und die Dienerschaft stand erwartungsvoll Spalier, Hunderte von ihnen, Männer und Frauen in den traditionellen Uniformen ihrer Berufe – Köche, Zimmermädchen, Kellner, Gärtner, Handwerker, Stallburschen und so weiter, und ein wahrhaftiger Butler im steifen Frack trat heran, sobald der Chauffeur den Wagenschlag öffnete, und hieß sie in gestelztem, schmallippigen Britain English willkommen.
Hunderte von Augenpaaren auf ihr, als sie ausstieg. Nur nicht stolpern jetzt, keine dumme Bewegung machen, über die wochenlang hinter vorgehaltener Hand getuschelt werden würde. John schien das alles völlig kalt zu lassen, er wirkte auch weder würdevoll noch so, als versuche er, würdevoll zu wirken; inmitten der pompösen Szenerie sah er einfach nur wie ein schlichter New-Yorker Junge aus.
Ein Schloss, wirklich und wahrhaftig! Die Eingangshalle gab ihr das Gefühl, ein unlängst modernisiertes Museum zu betreten; sie erwartete unwillkürlich, einen Schalter vorzufinden, an dem man Eintrittskarten kaufen musste. Und immer noch Bedienstete, die sie neugierig beobachteten, oder war es Neid, den sie in manchen Augen sah? Sie sehnte sich nach einem kleinen, schlichten Zimmer, in dem sie einfach nur sie selbst sein konnte und wo ihr niemand dabei zusah.
»Man gewöhnt sich schnell daran, glaub mir«, meinte John und nahm ihre Hand. »Komm, ich muss dir etwas zeigen, das glaubst du nicht.«
Treppen hinauf, Gänge entlang, Türen um Türen um Türen, und endlich ein Portal, hoch genug, dass der größte Mensch aller Zeiten zwischen den Türflügeln wie ein Zwerg ausgesehen hätte, dahinter ein Ballsaal in Blau und Gold, mit prächtigen Behängen an den Wänden und riesigen Kristalllüstern an der Decke, und inmitten all der geradezu orientalischen Pracht… ein gewaltiges vergoldetes Himmelbett! Überquellend von seidenen Kissen und opulenten Decken, überdacht von glitzernden Vorhängen an marmornen Säulen, ein Albtraum in Brokat.
Ursula war sprachlos, und das eine ganze Weile. »Du glaubst doch nicht«, meinte sie endlich, »dass ich in diesem Monsterbett schlafe?«
John grinste nur. »In diesem Monsterbett hat noch nie jemand geschlafen. Das hier ist das Show-Schlafzimmer – das ist nur dazu da, von Fotografen fotografiert zu werden. Hollywoodstars haben so etwas, hat der Innenarchitekt erzählt, und er hat gemeint, das bräuchte ich auch.«
Der Swimmingpool schien ihr immerhin zu gefallen, genau wie die beiden Saunen, das Dampfbad und der
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