Eine Billion Dollar
seine Beine rannten wie von selbst, er würde es schaffen. Die Luft war getränkt mit Abgasen, brannte in den Augen, würgte ihn in der Kehle, aber er rannte. Rannte bis zum Ende der hohen Mauer um die Wohnanlage, bog ums Eck, sah die Gestalt einer Frau am Ende der schmalen Gasse, rief: »Ursula!«
Ein Schlag von hinten auf den Kopf brachte die Frau und die Stadt und überhaupt alles zum Verschwinden.
McCaine erwachte vom Klingeln des Telefons auf seinem Nachttisch. Des Telefons, das absoluten Notfällen vorbehalten war. Er setzte sich auf und schaltete das Licht an. Drei Minuten vor fünf Uhr. In wenigen Augenblicken hätte ohnehin sein Wecker geklingelt. »Haben sich ganz schön Zeit gelassen«, murmelte er, räusperte sich und nahm ab. »McCaine.«
»Chris O’Hanlon hier, Sir«, kam es atemlos. »Sir, es ist etwas passiert. Wir, ähm, haben Mister Fontanelli verloren.«
McCaine hob die Augenbrauen. Eine interessante Formulierung, wenn man es recht bedachte. »Können Sie das ein bisschen genauer erklären?«
Der Leibwächter war hörbar außer sich. »Es war so, dass… also, Foster hatte die erste Wache an der Pforte, und ich hab mich hingelegt in der Zeit. Ich bin erst aufgewacht, als das Auto vom Flughafen kam mit den Unterlagen und dem restlichen Gepäck, und da hat er ‘s mir erzählt, ganz beiläufig –«
»Hat er Ihnen was erzählt?«
»Dass Mister Fontanelli, kurz nachdem ich ihn zum Apartment begleitet hatte, wieder runtergekommen und rausgegangen ist. Hat ihm gesagt, er wolle einen Spaziergang machen, er sei mit jemandem von der Universität in einem Lokal in der Nähe verabredet…«
»Lassen Sie mich raten. Er ist immer noch nicht zurück.«
»Ja, leider, Sir. Und dabei hätte ich wetten können, er fällt sofort ins Bett wie ein Toter, so müde, wie er aussah…«
McCaine stieß einen grunzenden Laut aus. »Hat sich Foster einmal überlegt, aus welchem Grund man gesicherte Wohnanlagen baut?«
»Das habe ich ihm schon gesagt. Er ist gerade ziemlich am Boden, habe ich den Eindruck, fürchtet um seinen Job und so…«
»Nicht ganz zu Unrecht«, sagte McCaine und fügte hinzu: »Das behalten Sie bitte vorerst für sich.«
»Ja, Sir.« O’Hanlon schluckte. »Jesusmariaundjosef, Sir, das wäre nicht passiert, wenn Marco da gewesen wäre. Ganz bestimmt wäre das nicht passiert.«
»Ja, das glaube ich auch«, sagte McCaine. Er nahm seinen Terminkalender von dem Stapel Unterlagen, der wie üblich neben ihm auf der noch nie benutzten anderen Hälfte des Doppelbetts lag, und schlug ihn auf. Der ganze Tag war frei von Terminen. Er zückte den Kugelschreiber. »Regen Sie sich ab, Chris, und hören Sie zu. Sie machen jetzt Folgendes…«
Zuerst begriff er gar nichts, spürte nur diesen grässlich pochenden Schmerz in seinem Kopf. Benommen tastete er über seinen Hinterkopf und fand eine Beule, die wehtat und sich ein wenig blutverkrustet anfühlte. Irgendwie begriff er, dass das alles nicht gut war. Und dann war da dieser merkwürdige Druck um die Handgelenke, ein Widerstand, verbunden mit einem rasselnden Geräusch, wenn er sich bewegte… Endlich bekam er die Augen auf und betrachtete, was da um seine Handgelenke lag: Handschellen.
»Na, klasse!«, ächzte er. Entführt. Man hatte ihn entführt.
Er stemmte sich hoch. Mit dem Schreck der Erkenntnis ging das schon leichter, wenn sich auch sein Kopf bei jeder Bewegung anfühlte, als sei er in Gefahr, in zwei Hälften zu zerspringen. Da war eine Wand, gegen die er sich lehnen konnte, und das tat er dann auch, keuchend wie von einer großen Anstrengung, und sah sich um.
Eine Zelle. Unverputzt die Wände, das Fenster zugemauert bis auf einen Spalt ganz oben, der grell glühte vom Tageslicht draußen. Hier drinnen herrschte Schummerlicht und ein modriger Gestank nach Schweiß und menschlichen Exkrementen: ein Gefängnis, ganz klar, drei Schritte breit und vier lang, wenn er sich hätte bewegen können. Aber das konnte er nicht; seine Handschellen waren verbunden mit einer Kette, die um ein massives gusseisernes Rohr lief, das den Raum von der Decke bis zum Boden durchquerte. Sein Bewegungsspielraum war beschränkt auf die Matratze, auf der er saß, und dann stand da im Eck noch ein Eimer mit einem Deckel und darauf eine Rolle Klopapier… John wandte sich angeekelt ab und beschloss, Verstopfung zu bekommen.
Es war also alles nur eine Falle gewesen. In die er wie ein Idiot hineingerannt war. Er seufzte und hätte am liebsten den Kopf
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