Eine Billion Dollar
Hubschrauber weiter, denn mit einem Auto, so erklärte man ihm, bestünde keine Hoffnung auf Durchkommen. »Rush hour«, sagte jeder, und tatsächlich sah John dann aus der Luft endlose, unbeweglich scheinende Blechschlangen in allen Straßen, während ihm der Lärm der Hubschrauberturbine schier den Schädel spaltete.
Es ging nach Süden, über die Schatten der einbrechenden Dämmerung hinweg. Kurz vor der Landung erkannte John nach den Abbildungen in dem Reiseführer, den er auf dem Herflug studiert hatte, die berühmte Universitätsbibliothek mit dem riesigen Rätselmosaik. Auf dem Gelände der Universität würden auch die Sitzungen stattfinden, aber erst in einigen Tagen, wenn er wieder einigermaßen ausgeschlafen war. Er ließ sich von Chris und Foster aus dem Helicopter helfen, stieg in das wartende Auto und hatte das Gefühl, taub geworden zu sein.
Die gesicherte Wohnanlage, in die man ihn brachte, war ein von hohen Mauern umgebenes Elysium, in dem Palmen rauschten und künstlich angelegte Bächlein murmelten. Stacheldraht auf den Zinnen, lächelnde Sicherheitsleute mit Revolvern im Holster und modernste elektronische Überwachungssysteme made in USA würden dafür sorgen, dass nichts und niemand die Ruhe und den Frieden der Bewohner störte. Ein junger Mann in einem hellen Anzug schritt voran, um ihm sein Apartment zu zeigen, und beim Anblick des klaren Wassers, das entlang der Fußwege plätscherte, fiel John ein, dass er von ständiger Wasserknappheit in Mexico City gelesen hatte, das über zweitausend Meter hoch lag und in dem manchmal sogar der Sauerstoff knapp wurde. Wirklich ein sehr passender Ort, um die nächste Umweltkonferenz vorzubereiten.
Das Apartment war von moderner Nüchternheit, weiße Wände und Glas und Metall, und riesig groß dazu. Die wenigen, aber edlen Möbel im Kolonialstil betonten die Weitläufigkeit der Räume noch; ein Traum alles. »Wo ist das Schlafzimmer?«, wollte John wissen.
Chris stellte die Reisetasche mit dem Nötigsten auf einer niedrigen Kommode ab. »Brauchen Sie noch etwas, Sir?«
»Schlaf«, sagte John.
»Verstehe. Gute Nacht, Sir.« Er zog die Türen von außen zu.
John ließ sich auf das Bett sinken und fühlte sich so schwer, als sei er nicht nur in eine andere Zeitzone, sondern auch in eine Zone erhöhter Schwerkraft gereist. Er würde nicht mehr hochkommen heute. Er würde hier im Anzug einschlafen und morgen früh grässlich aussehen.
Das Telefon klingelte. Ich schlafe, dachte John.
Aber es gab keine Ruhe. Schließlich wälzte er sich herum und griff nach dem Apparat auf dem Nachttisch. »Ja?«
»Foster hier, Mister Fontanelli.« Die Stimme des Leibwächters drang wie aus weiter Ferne an sein Ohr. »Es tut mir leid, dass ich Sie noch stören muss, Sir, aber möglicherweise ist es wichtig…«
»Spucken Sie ‘s schon aus«, murmelte John.
»Ich bin hier im Wachhaus an der Pforte«, sagte Foster, »und vor der Tür steht eine junge Frau, die sagt, sie heiße Ursula Valen –«
»Was?« Es war wie ein Stromschlag, der Klang dieses Namens, ein Stoß reinen Adrenalins. Er stand aufrecht, ehe er wusste, was geschehen war. Ursula? Wie um alles in der Welt kam Ursula hierher, nach Mexico? Und noch dazu jetzt, hier, heute Abend? Woher hatte sie wissen können…?
»Wollen Sie herunterkommen, Sir?«
»Ja!«, bellte John in den Hörer. »Ja, ich komme runter! Einen Moment, ich komme schon.« Ursula? Hier? Unglaublich, einfach unglaublich… Er knallte den Hörer auf und rannte, stieß Türen auf, hetzte über den kühlen, glatten Marmor, Treppen hinab, die verspielten Wandelpfade zwischen Palmen und Büschen entlang, alles beleuchtet und friedlich.
Als er an der Pforte ankam, stand Foster unschlüssig auf der Straße draußen. »Das ist jetzt wirklich merkwürdig…«, murmelte er vor sich hin, die Hände in die Hüften gestützt.
»Was ist? Wo ist sie?«, keuchte John, für einen Moment von dem heißen Schreck durchzuckt, dass der Anruf eben womöglich nur ein Traum gewesen sein könnte.
Foster sah unschlüssig die Straße hinab, rieb sich die Nase. »Gerade weg. Ich hab ihr gesagt, dass Sie kommen, aber…«
»Gerade weg? Wohin?«
»Dort unten ums Eck«, meinte der Leibwächter und deutete auf das Ende der Umfriedung, wo eine kleine Querstraße begann und ein paar Autos fuhren.
John spurtete los. »Sir, nicht –!«, hörte er noch hinter sich schreien, aber irgendwie war das unwichtig geworden, nur dass er sie einholte, zählte. Es ging bergab,
Weitere Kostenlose Bücher