Eine Billion Dollar
Licht. John war versucht, die Verdunkelung herabzulassen, und sei es nur, weil ihm das Funkeln der Kaffeekanne in die Augen stach. Dann begnügte er sich aber damit, den metallenen Griff der Kanne ein wenig zur Seite zu drehen.
»Das verstehe ich nicht«, meinte er müde. »Sie müssen doch von allem Datensicherungen gemacht haben.«
»Selbstverständlich. Aber die Sicherungsbänder sind nicht mehr lesbar. Kein einziges mehr. Jemand muss sie mit einem starken Magneten bearbeitet haben.« Der Wissenschaftler begann, sich die Stirn zu massieren. »Es ist alles zerstört. Wir sind dabei, die Programme und Daten aus den schriftlichen Aufzeichnungen, den Ausdrucken und so weiter zu rekonstruieren, aber das wird Monate dauern. Eine Katastrophe.«
»Und wann ist das passiert?«
Collins seufzte. »Mitte Dezember. In der Nacht auf den Vierzehnten. Ein Wochenende.«
»Und warum erfahre ich erst jetzt davon?«
Der Zukunftsforscher stutzte, musterte John versonnen. »Ja, das frage ich mich auch schon die ganze Zeit… Nein, nein, aber ich habe Ihnen ein Fax geschickt. Ich erinnere mich deutlich. Wir haben den ganzen Montag damit zugebracht, das Ausmaß des Schadens zu erfassen, und am Dienstag habe ich Ihnen das Fax geschickt. So war es. Ich wollte nicht telefonieren, weil ich zu aufgeregt war, daran erinnere ich mich. Und ich musste Ihnen doch Bescheid geben, wegen der zweiten Phase.«
»Die zweite Phase?« John schüttelte den Kopf. »Das Fax hat mich nicht erreicht, Professor. So was kommt zurzeit leider öfter vor. Und von einer zweiten Phase weiß ich auch nichts.«
»Aber hat Ihnen denn Mister McCaine nicht –?«
»Nein.«
»Ach so.« Er nickte verstehend. Dann schilderte er den Verlauf des Abends, an dem er McCaine die Resultate der ersten Phase präsentiert hatte. »Am Morgen darauf ist er noch einmal gekommen, wollte eine Version des Programms auf einen Laptop-Computer überspielt haben. Das hat eine Weile gedauert, und währenddessen haben wir die Vorgaben für die zweite Phase besprochen. Die sind etwas spekulativer Natur; so wollte er zum Beispiel die Folgen einer weltweiten Epidemie im Jahr 2009 berechnet haben und solche Dinge…« Seine dunkel umrandeten Augen blinzelten. »Da fällt mir ein – dieser Laptop! Den müsste er noch haben. Er hat ihn nicht zufällig hier irgendwo gelassen?«
»Nein. Wahrscheinlich hat er ihn mitgenommen.« John machte eine wegwerfende Handbewegung. »Soll er glücklich werden damit.«
Gegen Ende Januar 1998 nahm ein Thema mehr und mehr Raum in den Nachrichten ein und wurde schließlich unüberhörbar: die sexuellen Verfehlungen des amerikanischen Präsidenten. Kaum hatte dieser, nach langem juristischem Tauziehen, in einem seit Monaten schwelenden Fall unter Eid ausgesagt, tauchten neue Namen auf und dubiose Tonbänder, nahm die Auseinandersetzung an Schärfe zu. Der Präsident habe, hieß es, eine Praktikantin zum Meineid anstiften wollen, um die Affäre mit ihr zu vertuschen. Während seine Gegner ein Amtsenthebungsverfahren forderten, stritt der Präsident ab, überhaupt eine Affäre mit besagter Frau gehabt zu haben. Seine Frau sprach von einer Verschwörung rechter Kreise, der Dollarkurs fiel an den internationalen Finanzmärkten, und die Finanzkrise, die in Südostasien einem weiteren Höhepunkt entgegentaumelte, drohte auf die Vereinigten Staaten überzugreifen.
John verfolgte die Fernsehnachrichten mit einem eigentümlichen Gefühl von Irrealität. Das Telefonat mit McCaine während seiner Philippinenreise klang ihm noch im Ohr. Er ließ den Kommentator reden, stand auf, ging an McCaines alten Aktenschrank, fand eine Mappe, betitelt Clinton, Bill, die das Konzept eines sorgsam geplanten Rufmords enthielt. Vorn eingeheftet war ein kurzes Dossier über den in der so genannten Whitewater-Affäre tätigen Sonderermittler, neben dessen Bild McCaine von Hand Vermerke gekritzelt hatte: geboren in Vernon, Texas; Vater Pastor; nebenher gut gehende Anwaltspraxis (1997: 1 Million Dollar), Klienten u. a. Tabakindustrie. Es folgte die Zusammenfassung eines Abkommens, zu dem die amerikanische Regierung die Tabakindustrie zwingen wollte: Die Zigarettenhersteller sollten, um im Gegenzug vor weiteren Klagen geschützt zu sein, über einen Zeitraum von 25 Jahren insgesamt 368,5 Milliarden Dollar für Behandlungskosten kranker Raucher zahlen. Wie viel verdienen die eigentlich? hatte McCaine dazugekritzelt, außerdem: Clinton will Verschärfung, bis zu 516 Milliarden im
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