Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine Billion Dollar

Eine Billion Dollar

Titel: Eine Billion Dollar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
Vom Netzwerk:
Gespräch.
    Ein vages Gefühl drohenden Unheils beschlich John wie eine Vorahnung.
    Es war wie eine Bestätigung dieser Ahnung, als er kurz darauf die Financial Times aufschlug und las, dass Malcolm McCaine zum Vorstandsvorsitzenden des Konzerns Morris-Capstone berufen worden war. Über dieses Unternehmen war kaum mehr bekannt, als dass es sich praktisch vollständig im Besitz einer alten amerikanischen Unternehmerfamilie befand, für die das Attribut »zurückgezogen lebend« erfunden worden sein musste: Von den meisten Mitgliedern der Familie existierten nicht einmal Fotos. John musste seine Analysten fragen, um zu erfahren, dass Morris-Capstone, abgesehen davon, dass es Beteiligungen an einigen der geheimnisumwittertsten Gentechnik-Firmen und einer Fabrik für Handfeuerwaffen jeden Kalibers hielt, vor allem einer der größten Tabakwarenhersteller der Welt war.
    Ebenfalls im Besitz besagter alter amerikanischer Unternehmerfamilie stand der Fernsehsender, dem Malcolm McCaine das erste Interview nach seinem Weggang von Fontanelli Enterprises gewährte. Zu diesem Thema äußerte er sich ausführlichst. Keineswegs, betonte er auf die entsprechende Frage, sei ihm gekündigt worden; vielmehr habe er, nachdem er unter den Eskapaden John Fontanellis viel zu leiden gehabt hatte, nach dessen letztem Streich, der vorgetäuschten Entführung in Mexiko, keine Alternative mehr gesehen als den Rücktritt.
    »Stellen Sie sich vor, Sie würden entführt«, verlangte er von der Interviewerin, »und kämen wieder frei – was würden Sie tun? Sicherlich würden Sie zur Polizei gehen, nicht wahr? Jeder Mensch würde das tun. Nicht so John Fontanelli. Er verschwindet spurlos und taucht wie durch ein Wunder drei Wochen später wohlbehalten an einem sechstausend Meilen entfernten Ort, London, wieder auf. Finden Sie das normal?«
    Natürlich fand die Interviewerin das alles andere als normal.
    Er habe sich, führte McCaine voller Inbrunst aus, mit aller Kraft dafür eingesetzt, ein stabiles Unternehmen zu schaffen, das auch in den Zeiten der Globalisierung Millionen von Menschen sichere Arbeitsplätze zu bieten imstande sei. »Fontanelli glaubt, er kann alles selber«, fuhr er fort. »Aber er führt den Konzern nicht einmal zwei Monate, und schon kriselt es an allen Ecken und Enden. Es tut weh das mit ansehen zu müssen«, fügte er mit bitterem Gesichtsausdruck hinzu. Dann beschrieb er detailliert die Krisen an allen Ecken und Enden des Fontanelli-Imperiums, so detailliert in der Tat, dass er genauso gut hätte zugeben können, interne Informanten im Konzern zu haben.
    »Was ist Ihre Prognose?«, fragte die Interviewerin. »Sind all diese Arbeitsplätze in Gefahr?«
    McCaine nickte ernst. »Absolut.«
    Nach diesem Interview musste John den Fernseher erst einmal ausschalten. Er wies sein Sekretariat an, ihn die nächste Stunde nicht zu stören, dann trat er ans Fenster, um eine Stunde lang in das wilde Schneetreiben über der Londoner City hinauszustarren und sich zu fragen, was, zum Teufel, hier eigentlich gespielt wurde.
     
    Ein schneedurchsetzter Nieselregen prickelte verhalten gegen die hohen Fenster, die Kulisse der Stadt verschwamm dahinter zu schwarzweißen Klecksen. Eine Sekretärin hatte Kaffee und Gebäck serviert, doch Lord Peter Rawburne hatte bisher nichts davon angerührt. Der Wirtschaftsjournalist, der sich darin gefiel, anstatt eines Business-Anzugs einen dicken schafsweißen Pullover irischer Machart, dunkelgrüne Cordhosen und ausgetretene Stiefel zu tragen, saß behaglich im Sessel und hörte aufmerksam zu, was John ihm über Sinn und Zweck seiner Einladung zu sagen hatte.
    »Ich habe, offen gestanden, seit jenem denkwürdigen Abendessen auf Ihrem Schloss auf diesen Moment gewartet«, sagte er dann und verschränkte die Hände ineinander. »Ich dachte eigentlich damals, ich hätte Sie hinreichend neugierig gemacht, aber… na ja.« Er hob die Hände kurz an und ließ sie wieder in den Schoß zurück fallen. »Sie wollen also wissen, wie die Menschheit noch zu retten wäre.«
    John nickte unbehaglich. »Könnte man so sagen.«
    »Schön.« Ein flüchtiges Lächeln. »Nun, der erste Schritt ist ganz einfach: Schaffen Sie die Einkommenssteuer ab.«
    Für einen diffusen Moment hatte John das Gefühl, neben sich zu stehen, im falschen Film zu sein.
    »Das ist ein Witz, oder?«
    »Ich versichere Ihnen, es ist mein voller Ernst.«
    Er musterte den Wirtschaftsjournalisten stirnrunzelnd. »Ich hatte eigentlich etwas anderes

Weitere Kostenlose Bücher