Eine Billion Dollar
müssen.« Regungslos, denn die kleinste Bewegung konnte die Vision wieder verscheuchen.
Paul beugte sich vor und sah ihn jetzt mit argwöhnischer Aufmerksamkeit an. »Was wir tun müssen?«, wiederholte er.
»Um die Prophezeiung zu erfüllen.«
»John, ist dir nicht –«
»Es ist ganz einfach. So einfach. Wir hätten schon die ganze Zeit draufkommen können.«
»Oh«, machte Paul verdutzt. Er grübelte eine Weile vor sich hin, während John diesen kleinen schimmernden Punkt in dunkler Ferne fixiert hielt, fragte schließlich: »Und was?«
John sagte es ihm. Sagte ihm, was sie tun mussten.
Als er damit fertig war, lag eine Stille im Raum, als sei die Luft gefroren. John löste sich aus seiner Erstarrung, suchte Pauls Blick, sah in große, ungläubig starrende Augen.
Er hatte es zum ersten Mal im Leben geschafft, Paul Siegel zu verblüffen.
46
New York, caput mundi , Hauptstadt der Welt. Der erste wirklich schöne Frühlingstag strahlte auf die Stadt am Hudson herab, ließ Dampf aus feuchten Häuserschluchten aufsteigen und die gläsernen Türme Manhattans weithin über den Atlantik leuchten. Man konnte auf das Dach des World Trade Center fahren und auf die weite, frisch gewaschene Welt hinabschauen, ohne dass einen eiskalte Winde und Regenschauer gleich wieder in Deckung zwangen.
Niemand von denen, die das berühmte, unverkennbare schneeweiße Flugzeug mit dem dunkelroten f auf der Heckflosse auf den John-F.-Kennedy-Flughafen niedergehen sahen, dachte sich etwas dabei. Die Maschine kam oft genug nach New York, um ein gewohnter Anblick zu sein.
» Moneyforce One, Sie haben Landeerlaubnis.«
Niemand ahnte, dass John Fontanelli diesmal kam, um die Welt zu verändern.
Der Sitz der Vereinten Nationen am East River ist ein großes, offen und einladend angelegtes Gebäude, das, nach Ideen des Architekten Le Corbusier erbaut, bis auf den heutigen Tag Größe und Optimismus ausstrahlt. Dennoch muss jeder, der es betreten will, einen auffälligen Lichtbildausweis bei sich tragen, den man nur nach eingehenden Überprüfungen erhält, und penible Kontrollen seines Gepäcks und seiner Person über sich ergehen lassen. Bewaffnete Sicherheitsleute, Durchleuchtungsgeräte und Metalldetektoren prägen das Bild, das der Eingangsbereich bietet.
Die Limousine, die John Fontanelli und Paul Siegel vom Flughafen hergebracht hatte, wurde von einem bulligen Wachmann an einen festgelegten Standplatz gewinkt. Ein Kordon Bewaffneter geleitete sie die weitläufigen Treppen empor, sie durften alle Sperren passieren, ohne dass jemand auch nur ihre Ausweise sehen wollte, und anschließend brachte man sie hoch in den 38. Stock, wo sie große, beinahe steril wirkende Räume empfingen und der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Kofi Annan persönlich.
»Ich hatte immer das Gefühl, dass wir uns eines Tages kennen lernen werden«, sagte er. »Willkommen.«
Später, in gemütlicher Runde und nach Austausch der üblichen Höflichkeiten, kam John auf sein Anliegen zu sprechen. »Sie wissen, dass ich mich bemühe, die Prophezeiung meines Urahns zu erfüllen«, sagte er. »Ich war mir lange im Unklaren, wie ich das tun sollte. Aber nun weiß ich es. Ich will etwas tun, wobei ich gern Ihre Unterstützung hätte. Ich brauche diese Unterstützung nicht, aber ich hätte sie gerne. Zur Not könnte ich auch alleine tun, was ich vorhabe, aber mir wäre es lieber, ich müsste nicht.«
»Wie kann ich Ihnen behilflich sein?«, fragte Annan.
»Lassen Sie uns zunächst«, bat John, »über Globalisierung sprechen.«
Im Jahre 1998 gab es weltweit 25 000 Zusammenschlüsse von Firmen, also Fusionen oder Übernahmen. Eine der spektakulärsten Fusionen war die zwischen der deutschen Daimler-Benz AG und der amerikanischen Chrysler Corporation zum ersten »transatlantischen Unternehmen« DaimlerChrysler und drittgrößten Automobilhersteller der Welt. Der gigantischste Deal war die Übernahme des Investmenthauses Bankers Trust Corporation durch die Deutsche Bank, die dadurch mit einer Bilanzsumme von 1,4 Billionen DM weltweit auf Platz eins der Bankhäuser rückte, noch vor den bisherigen Spitzenreiter UBS , die United Bank of Switzerland.
»Wovon reden wir?«, sagte Paul Siegel. »Wir reden davon, dass Schranken abgebaut werden, dass Kommunikation hergestellt wird. Wir reden davon, dass das, was wir bei Olympischen Spielen schon lange kennen – weltweiter Wettbewerb ohne Ansehen von Herkunft, Hautfarbe oder Religion –, sich nun auch
Weitere Kostenlose Bücher