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Eine Billion Dollar

Eine Billion Dollar

Titel: Eine Billion Dollar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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nach oben. »Wir tun das nicht, weil wir gierig sind. Wir sind auch nicht einfach böse Menschen. Wir handeln so, weil wir das Gefühl haben, wir müssen. Wir sind Getriebene, die einander jagen. Weil alles erlaubt ist, können wir es uns nicht erlauben, vor irgendeiner Schandtat zurückzuschrecken.«
    John hatte einen irritierenden Augenblick lang das Gefühl, schon immer gewusst zu haben, dass er eines Tages hier sitzen würde. Selbst damals schon, als er noch mit Pizzen auf dem Fahrrad unten vorbeigeradelt war, dort, wo jetzt die Limousine parkte. Als sei sein ganzes Leben nur Vorbereitung gewesen dafür, die Worte auszusprechen, die er nun zu sagen hatte.
    »Aber ist das das Ideal? Ein Unternehmen, das unabhängig von Gesetzen handeln kann? Ich sehe nicht, wie sich ein solches Unternehmen von einer Verbrecherorganisation noch unterscheiden würde.« Er schüttelte den Kopf. »Ich glaube nicht, dass das wirklich jemand will. Man will vielleicht reich werden – aber das kann man auch da, wo Spielregeln gelten. Es müssen nur gerechte Spielregeln sein, und sie müssen für alle gelten. Das ist der springende Punkt. Solche Spielregeln, solche Gesetze wären nicht wirklich eine Einschränkung, im Gegenteil – sie wären eine Erleichterung. Im Grunde fehlen sie uns.«
    Der UN-Generalsekretär schwieg, hob nur die Augenbrauen.
    John verschränkte die Einger seiner Hände ineinander. »In den Zeiten des Wilden Westens sind die Menschen schneller in unerschlossenes Land vorgerückt, als die Staatsmacht ihnen folgen konnte. Damals haben räuberische Banden weite Teile des Landes beherrscht, bis sich das Gesetz mühsam wieder Geltung verschafft hat. Und in so einer Situation befinden wir uns heute wieder. Multinationale Konzerne sind mächtiger als Nationalstaaten geworden. Das heißt nichts anderes, als dass das Ordnungsprinzip nationaler Souveränität überholt ist. Was nötig ist, ist eine transnationale Macht, die Gesetz und Ordnung auf globaler Ebene herstellt.«
    Kofi Annan musterte ihn mit besorgter Nachdenklichkeit. »Sie denken dabei aber hoffentlich nicht an die Vereinten Nationen?«, vergewisserte er sich.
    »Nein«, sagte John Fontanelli. »Ich denke dabei nicht an die Vereinten Nationen.«
     
    In diesen Tagen war das Gebäude Wallstreet Nummer 40, bislang bekannt als Fontanelli Tower, Gegenstand intensivster baulicher Maßnahmen. Bataillone uniformierter Möbelpacker schleppten Möbel, Kartons und Kisten heraus und verluden sie in Umzugswagen, die in einer nicht enden wollenden Schlange vorfuhren. Gleichzeitig wurde an der Außenfassade gearbeitet. Die untersten fünf Stockwerke wurden mit zahllosen stilisierten menschlichen Gestalten in den Farben Rot, Gelb, Schwarz, Grün und Blau bemalt. Die Etagen darüber strich man mit einer neuentwickelten Spezialfarbe, die optische Aufheller ähnlich denen in Waschmitteln enthielt und das Gebäude in nie gesehenem, fast unirdischem Weiß erstrahlen ließ.
    »Was wird das?«, wollten Reporter vom Bauleiter wissen.
    »Die unteren fünf Stockwerke«, erklärte der gegen den Lärm der Lastwagen und der Kompressoren für die Farbsprüher, »werden das Hauptquartier –«
    »Nein, der weiß gestrichene Teil?«
    »Oh, das…?« Der Bauleiter nahm den Helm ab und wischte sich Schweiß, Farbspritzer und Staub von der Stirn. »Ja, das ist allerdings ein Ding…«
     
    »Ebenso wie alle anderen internationalen Organisationen – WTO, IWF, Weltbank und so weiter – sind die Vereinten Nationen von Regierungen ins Leben gerufen worden, hauptsächlich, um ein Gesprächsforum für Fragen von internationaler Bedeutung zu sein. Aber sie selber sind nicht mächtig. Es war nie Absicht, eine Weltregierung zu schaffen. Im Gegenteil, man wollte mit allen Mitteln verhindern , dass eine Weltregierung entsteht. Deshalb hat man den Vereinten Nationen wirkliche Macht vorenthalten.«
    Der Generalsekretär runzelte die Stirn. »Was genau meinen Sie damit?«
    »Es gibt nur eine wirkliche Macht auf diesem Planeten«, sagte John Fontanelli. »Ich habe lange gebraucht, um das zu begreifen. Obwohl es offensichtlich sein sollte.«
     
    Der dynamisch wirkende Mann mit den rostbraunen, gelockten Haaren wartete, bis die Fotografen schussbereit waren, und zog dann mit einer schwungvollen Geste das weiße Tuch von dem Schild neben dem Eingangsportal. Blitzlichtumlodert stand er da, mit der Hand auf das Signet weisend, das er enthüllt hatte.
    Es zeigte vor dem Hintergrund einer Weltkarte, die an das

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