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Eine Billion Dollar

Eine Billion Dollar

Titel: Eine Billion Dollar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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hatten alle Möbel aus dem Salon räumen lassen, lediglich eine Barriere aus Tischen am hinteren Ende errichtet, in der Nähe einer Tür, durch die sie im äußersten Fall entkommen konnten. Alessandro und Giuseppe standen bereit, einen solchen Rückzug zu decken, und schienen nicht übel Lust auf eine Rauferei mit den Journalisten zu haben, die nach dem Öffnen des Tors hereingestürmt waren wie weiland Beatles-Fans auf der Jagd nach ihren Idolen.
    Warum sie das Geld nicht behalten hätten, wurden die Vacchis gefragt.
    »Ein solches Verhalten«, beschied Cristoforo Vacchi den Frager kühl, »wäre mit unserem beruflichen Selbstverständnis nicht vereinbar gewesen.«
    Das löste schallendes Gelächter aus.
    Gregorio hatte die Konferenz damit eröffnet, die Herkunft des Geldes und die Einzelheiten des Testaments zu erläutern. Sie hatten sich zuvor darauf geeinigt, die Prophezeiung des Giacomo Fontanelli nicht zu erwähnen, falls sie nicht direkt darauf angesprochen wurden. Tatsächlich fragte niemand danach, sondern das allgemeine Interesse konzentrierte sich auf die seltsam beliebig wirkende Klausel, wonach der jüngste männliche Nachfahre Fontanellis, der am 23.4.1995 lebte, alles erben solle. Was an diesem Datum besonderes sei? Nichts, erklärte Gregorio. Von John wollte man wissen, ob er dieses Auswahlverfahren gerecht finde? Nein, bekannte John, aber so sei es nun einmal. Ob es in der heutigen Zeit zu rechtfertigen wäre, weibliche Nachfahren vom Erbe auszuschließen? »Heute würde wohl niemand mehr so etwas schreiben«, sagte John, »aber wir sprechen von einem Testament, das fünfhundert Jahre alt ist.« Er spürte, wie sein Hemd feucht wurde, wie ihm der Schweiß den Rücken hinablief. Und was die alles wissen wollten! Ob er verheiratet sei. Ob er Geld an wohltätige Organisationen spenden werde. Welche Sportarten er bevorzuge. Wo er seinen Wohnsitz haben werde. Und so weiter. Als er schließlich die Frage nach seiner Lieblingsspeise mit der Äußerung beantwortet hatte, er werde versuchen, sich an Kaviar zu gewöhnen, aber bis dahin seien es die Tortellini seiner Mutter, erteilte Eduardo einer zierlichen Frau mit ungebärdigen feuerroten Haaren das Wort.
    »Brenda Taylor, CNN«, erklärte sie, und John stellte fest, dass sie Feuer auch aus ihren Augen, ihrer Stimme und aus jeder Bewegung versprühte. »Mister Fontanelli – sind Sie glücklich, so reich zu sein?« Es war eine Frage wie ein Axthieb. Jeder schien plötzlich den Atem anzuhalten, und es war mit einem Mal so still, dass man die berühmte Nadel hätte fallen hören. John starrte in die Halogenlampen und Objektive und begriff, dass seine Antwort auf diese Frage weitergetragen werden würde bis in den letzten Winkel der Erde und dass sie bestimmen würde, was die Menschen in aller Welt über ihn dachten.
    »Nun«, begann er umständlich, mit einem Hirn so leer wie eine weiße Wand, »noch bin ich es ja nicht. Die offizielle Übertragung muss erst stattfinden und so weiter… Dann werde ich wissen, wie es ist.«
    Aber das war keine Antwort, er spürte es. Sie war noch nicht zufrieden. Das Schweigen schien regelrecht an ihm zu saugen. Alle Augen waren auf ihn gerichtet und forderten mehr.
    »Ein solches Vermögen ist nicht dazu da, seinen Besitzer glücklich zu machen«, hörte er sich sagen und hatte keine Ahnung, woher das kam, was er da von sich gab, »vielmehr ist es eine Verpflichtung. Und die einzige Hoffnung auf Glück ist zu versuchen, dieser Verpflichtung gerecht zu werden.«
    Er kam sich so dämlich vor. Wie kam er dazu, so etwas zu verzapfen? Hatte das überhaupt Sinn? Er sah auf die halb offenen Münder, die Kugelschreiber, die unschlüssig über Notizblöcken verharrten… Gleich würden sie laut loslachen, ihn zum Gespött des Planeten machen…
    Aber dann, irgendwo im Hintergrund, begann jemand langsam zu klatschen. Andere fielen ein, jemand klopfte ihm auf den Rücken und zischte: »Wunderbar, das haben Sie wunderbar gesagt, John…« Was? Wunderbar? Was war wunderbar?
    »Ein guter Abschluss für diese Pressekonferenz, denke ich.« Wer redete da? John wusste nicht mehr, wie ihm geschah. Gedrängel, man schob und stieß ihn, da waren Hände zu schütteln. »Vielen Dank, meine Damen und Herren, danke… danke für Ihre Aufmerksamkeit…« Alberto. Oder? Dann war da eine Tür und Stille.
    Später lag er auf seinem Bett, allein in seinem Zimmer, hatte einen nassen Waschlappen auf der Stirn und starrte an die Decke. Nur nicht nachdenken.

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