Eine Billion Dollar
Kastens, und der Schlitz leuchtete grünblau auf. Mit leisem Surren schob sich Papier heraus, darauf krakelige Linien und verwaschene Buchstaben. John beugte sich darüber, versuchte den Text zu entziffern, während weitere Seiten nachquollen.
Es war ein Bericht über die medizinische Untersuchung des Second Lieutenant Lino Fontanelli, vorgenommen vom Stabsarzt der McGuire Airforce Base, im Februar 1991. Seitenweise Befunde aus EKG, EEG, Lungenkapazitätstest, kardiologischen Belastungstests, Reaktionstests, Blutbildern, Analysen der Rückenmarksflüssigkeit und so weiter. Auf der letzten Seite war das Kästchen angekreuzt, das ihm die volle gesundheitliche Eignung zum Piloten eines Kampfjets bescheinigte, daneben prangte die schwungvolle, völlig unleserliche Unterschrift des Arztes.
Den entscheidenden Vermerk hätte John beinahe übersehen. In der Rubrik Medizinische Befunde ohne Auswirkungen auf die Flugtauglichkeit stand lapidar: Zeugungsunfähig.
8
Das Fax war wie ein Schlag in die Magengrube. John saß da, starrte es an, ohne dass er hätte sagen können, wie lange, und versuchte zu begreifen, was es bedeutete. Niemand kam, niemand rief an, auch nicht, nachdem er geistesabwesend das Gerät wieder ausgesteckt und zurück unters Bett geschoben hatte. Niemand störte ihn, und so hatte er Zeit, gründlich nachzudenken.
Als der Abend dämmerte, hatte er beschlossen, das Fax zu verschweigen, um nicht erklären zu müssen, woher es stammte. Stattdessen fragte er beim Abendessen, das in spürbar bedrückter Stimmung verlief, möglichst beiläufig: »Lässt sich aus einer genetischen Analyse eigentlich erkennen, ob jemand unfruchtbar ist?«
»Nein.« Eduardo schüttelte den Kopf, damit beschäftigt, eine dampfende Petersilienkartoffel mit einer silbernen Gabel aus dem achtzehnten Jahrhundert zu zerteilen. »Warum?«
»Mir ist ein Gespräch eingefallen, das ich letzte Weihnachten mit Vera hatte. Die Freundin meines Bruders«, setzte John hinzu. »Sie deutete so etwas an, dass sie sich wunderte, warum sie nicht von Lino schwanger wurde.« Das war erfunden. Vera hätte nie im Leben mit jemandem über solche Themen gesprochen, der nicht ihr Arzt war.
»Himmel!«, stieß Gregorio Vacchi hervor und ließ das Besteck sinken. Die spärlichen Haare schienen ihm zu Berge zu stehen. »Daran habe ich überhaupt noch nicht gedacht.«
Der Padrone machte ebenfalls große Augen. »Unfruchtbarkeit. Das ist ein häufig anzutreffendes Leiden in der Familie Fontanelli.«
Alberto runzelte die Stirn. »Aber er kann doch unmöglich glauben, dass so etwas unentdeckt bleiben würde?«
»Ich hatte den Eindruck«, spann John seine Geschichte weiter, »dass Lino nichts von Veras… Bemühungen weiß.«
»Das heißt, möglicherweise versucht diese Peterson, ihm ihr Kind unterzuschieben!«, folgerte Eduardo entgeistert.
Sein Vater nahm die Serviette vom Schoß und warf sie neben seinen erst halb geleerten Teller. »Ich muss sofort telefonieren.«
Die Sensation am nächsten Tag war komplett. Lino gestand zerknirscht vor laufenden Kameras, von Bleeker zu diesem Plan angestiftet worden zu sein. Tatsächlich sei er Deborah Peterson nie zuvor begegnet. Und von seiner Unfruchtbarkeit habe er nichts gewusst. Im Hintergrund flatterten gelbe Plastikbänder über dem Rasen seines Hauses, Polizisten gingen ein und aus. Weder Sarah Jones noch ihre Tochter waren zu sehen.
Deborah Peterson erzählte einem Reporter, wie Randolph Bleeker sie aufgesucht und zu seinem Plan überredet habe. Sie habe Bleeker von ihrem früheren Job in der Anwaltskanzlei her flüchtig gekannt, allerdings nie besonders sympathisch gefunden. Da sie als alleinerziehende Mutter dringend Geld brauchte, habe sie eingewilligt. Bleeker habe sie und Lino zusammengebracht, um sie alle Einzelheiten ihrer angeblichen Affäre auswendig lernen zu lassen, ehe er mit der selbstfabrizierten Sensation an die Öffentlichkeit ging.
Wie sich herausstellte, war Andrew Peterson tatsächlich die Frucht einer kurzen Affäre, nach deren Ende seine Mutter niemals wieder etwas vom Vater des Kindes gehört hatte. Sie hatte nach Andrews Geburt zunächst geglaubt, allein damit fertig zu werden, und aus Stolz keine Angaben über den Kindsvater gemacht. Als ihre Ersparnisse zur Neige gingen, hatte sie sich an Randolph Bleeker gewandt, um Andrews Vater aufzuspüren und auf Unterhalt zu verklagen. Bleeker hatte ihn auch wirklich aufgespürt: Der ehemalige Lastwagenfahrer lag seit einem Raubüberfall
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