Eine Billion Dollar
in einer neurologischen Klinik und besaß nur noch die Intelligenz eines Blumenkohls. Im Gesicht der jungen Frau mischten sich Entsetzen und Faszination, als sie davon erzählte, wie der Anwalt diese Situation für seinen Plan zu verwenden gedachte: Er hatte von dem komatösen echten Vater des Kindes heimlich Haar-und Gewebeproben entnommen und sie tiefgekühlt verwahrt, um sie vor dem zu erwartenden genetischen Vergleichstest gegen die Proben auszutauschen, die man von Lino nehmen würde. Wie er den Austausch unbemerkt bewerkstelligen wolle, habe er ihr nicht gesagt.
Diese abenteuerliche Geschichte verdrängte das Ebola-Virus, das in der zentralafrikanischen Stadt Kikwit Tausenden von Menschen die inneren Organe zerfallen ließ, endgültig von den Titelseiten. Zum offenkundigen Entzücken der Nachrichtenleute war obendrein der Urheber des betrügerischen Plans, der Anwalt Randolph Bleeker, genannt Randy, unauffindbar verschwunden. Seine Wohnung in Philadelphia wurde verlassen vorgefunden, und ein Kamerateam, das zeitgleich mit der Polizei in seinem miefigen kleinen Büro eintraf, konnte nur eine ratlos die Schultern zuckende Sekretärin filmen, die keine Ahnung hatte, wo ihr Arbeitgeber abgeblieben war.
Der Rolls-Royce verließ um halb acht Uhr morgens, die Vorhänge hinter den hinteren Scheiben sorgfältig zugezogen, das Anwesen der Familie Vacchi. Verfolgt von einem Tross von Fahrzeugen, die mit den Signets von Fernsehsendern und Nachrichtenagenturen bedruckt waren, glitt der majestätische Wagen mit fast unhörbar schnurrendem Motor durch die Dörfer und Siedlungen. Als er kurz vor Florenz auf die Autostrada nach Rom wechselte, tauchten zwei Hubschrauber auf und schlossen sich dem Convoi in der Luft an. Ab zehn Uhr Ortszeit wurde die Fahrt des Rolls-Royce Richtung Rom von CNN live übertragen.
Niemand hatte dagegen auf den Lieferwagen geachtet, der wie immer um fünf Uhr früh durch das kleinere Tor am hinteren Ende des Landsitzes gefahren war, um wie jeden Morgen einige Kisten mit frischer Wäsche aus-und Säcke mit Schmutzwäsche dafür einzuladen. Unbehelligt fuhr er danach wieder von dannen, hielt nur kurz und unbeobachtet an der Wäscherei im Ort, wo die rückwärtige Tür aufging und die Säcke hinausgeworfen wurden, damit John Fontanelli und die Vacchis im Inneren des Wagens mehr Platz hatten. Der Padrone wechselte bei dieser Gelegenheit auf den Beifahrersitz, Marco hinter das Steuer, alle schüttelten sie noch einmal dem jungen Fahrer der Wäscherei dankend die Hand, dann bretterten sie los, als gelte es, sich für die Formel 1 zu qualifizieren. Die Straßen waren um diese Zeit noch weitgehend leer, sodass sie die Autobahn eher als geplant erreichten, und auch dort ließ sich der Verkehr ertragen. Eduardo, der den Plan ausgetüftelt hatte, grinste vergnügt. Sie würden die Vermögensübereignung vollzogen haben, ehe die ersten Journalisten in Rom eintrafen.
Als sie durch Rom fuhren, rückte John an eines der hinteren Fenster und spähte hinaus. Ihn, dem zeitlebens das Empire State Building wie ein antikes Bauwerk vorgekommen war, hatten die ganzen wirklich alten Gebäude in der Altstadt von Florenz tief beeindruckt. Aber Rom – Rom war einfach… monumental. Bei Gott, er verstand plötzlich, warum man es die Ewige Stadt nannte. Jede Straßenkreuzung gewährte ihm sekundenlange Blicke in Abgründe von Vergangenheit und Geschichte, von denen er nie geahnt hatte, dass sie existierten. Wie konnte jemand hupen im Angesicht dieser erhabenen Bauwerke? Wie konnte ein Autofahrer einen anderen überholen wollen in dieser Stadt, in der die Zeit stillgestanden hatte? Er konnte sich nicht satt sehen und bedauerte es fast, als sie plötzlich von der Straße ab und durch einen dunklen Torbogen fuhren und da waren. Im Finanzministerium der Republik Italien.
Stählerne Tore fuhren hinter ihnen zu. Uniformierte Männer mit Funkgeräten und automatischen Waffen tauchten auf, sahen mit steinernen Gesichtern zu, wie sie aus dem Lieferwagen kletterten, und geleiteten sie dann in bedrohlich wirkendem Schweigen eine schmale, unscheinbare Treppe hinauf. Unlackierte, rostige Stahltüren mit mehreren Schlössern öffneten sich vor ihnen und wurden hinter ihnen klirrend wieder verriegelt. Ihre Schritte hallten durch kahle Gänge, die einen eher an ein Gefängnis als an ein Ministerium denken ließen. Ein uralter Aufzug bot maximal vier Personen Platz, sodass sie in Etappen fahren mussten. »Der Weg hinaus nachher wird
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