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Eine Billion Dollar

Eine Billion Dollar

Titel: Eine Billion Dollar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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federleichte Poesie wirkte, und so ging das hin und her, bis John sich anfing zu fragen, wozu man ihn bei all dem überhaupt brauchte.
    Als es losging mit dem Unterschreiben, wusste er wieder, wozu. Unsinnigerweise musste er sich noch einmal ausweisen, mit seinem neuen Pass diesmal, den der Notar prüfte, als argwöhne er, John könne in der Zwischenzeit gegen eine andere Person ausgetauscht worden sein. Danach war des Unterschreibens kein Ende mehr. Ein Blatt nach dem anderen, auch für die Vacchis, minutenlang hörte man nichts als das Kratzen von Tintenfedern auf schwerem Urkundenpapier. Stempel knallten, Tintentrockner rollten über die blauen Krakel, Siegel wurden angebracht, und das breite Lächeln des Finanzministers wurde mit jeder geleisteten Unterschrift einen Zahn breiter. Er war auch der Erste, der aufsprang und John gratulierte mit den Worten: »Ich danke Ihnen, dass Sie sich für Italien entschieden haben!«
    Dann gratulierten ihm die Vacchis, von irgendwoher kamen weitere Hände dazu, die seine Rechte schüttelten. Der halbe Beamtenstand Italiens schien sich in diesem kleinen Zimmer versammelt zu haben.
    »Jetzt sind Sie endgültig und rechtskräftig der reichste Mann der Welt«, sagte Cristoforo Vacchi. »Nun ist es unumkehrbar.«
    Er wirkte erleichtert, als er das sagte.
     
    Das Timing war exzellent. Der Rolls-Royce fuhr majestätisch am unteren Ende der Treppe vor, und die Traube von Fernseh-und Bildreportern fotografierte eine leere Rückbank, als Benito den hinteren Wagenschlag öffnete. Es dauerte eine Schrecksekunde, bis einer der Journalisten John und die Vacchis oben an der Treppe stehen sah. Ein ausgestreckter Arm, ein Schrei wie Kriegsgeheul, alles stürmte die Stufen empor, während John hineinschritt in das Blitzlichtgewitter und ein Lächeln in seinem Gesicht entstand, und ohne dass er gewusst hätte, was er tat und warum, hob er in einer triumphierenden Geste die lederne Mappe mit den Dokumenten, die seinen unfassbaren Reichtum besiegelten, hoch über den Kopf.
    Das war das Bild, das um die Welt gehen sollte.
     
    Nach der notariellen Zeremonie stand ein Empfang beim italienischen Ministerpräsidenten an. Der Rolls-Royce wurde von einer Ehrenkavalkade auf Motorrädern zum Sitz des Regierungschefs eskortiert, der John bereits auf den Treppenstufen entgegenkam. Mitten auf dem breiten roten Teppich und inmitten eines wahren Blitzlichtgewitters schüttelten Ministerpräsident Lamberto Dini und John Fontanelli einander minutenlang die Hände, lächelten in die Kameras, in die Menge, in die Kameras. Massen von Polizisten bildeten einen Kordon gegen die andrängenden Presseleute und Tausende von Schaulustigen, die John zujubelten, als habe er etwas Unerhörtes geleistet.
    »Winken Sie«, raunte der Premierminister, ein Mann Mitte sechzig mit dem Gesicht einer traurigen Bulldogge, ihm zu.
    Also winkte John, und der Jubel kannte keine Grenzen mehr.
    Regiert wurde offenbar nicht an diesem Tag in Italien, denn alle Minister waren versammelt, um dem frisch gebackenen Billionär die Hand zu schütteln. Unmöglich, sich all die Namen zu merken. John lächelte, schüttelte Hände, fühlte sich wie in einem Wirbelsturm. »Sie können mich jederzeit anrufen«, erklärte ihm fast jeder, und John nickte, versprach, daran zu denken, und fragte sich, welchen Grund es geben mochte, einen Minister persönlich anzurufen.
     
    Auf der Rückfahrt von Rom befiel John eine eigenartige Rastlosigkeit. Zwischendurch hatte er das Gefühl, es keine Sekunde mehr länger auszuhalten, tatenlos im Wagen zu sitzen und durch die unter einer warmen nachmittäglichen Sonne liegende Landschaft zu gleiten. Es musste etwas geschehen, und er hätte was darum gegeben, wenn er nur eine Ahnung gehabt hätte, was.
    Nun war es also amtlich. Reichster Mann der Welt, reichster Mann aller Zeiten. Ohne Verdienste, ohne eigenes Zutun, ohne besondere Begabungen, einfach aufgrund der Laune eines Vorfahren, der ohne dieses Vermächtnis längst vergessen gewesen wäre. Fühlte er sich nun anders? Nein. Er sah auf die Mappe hinab, die eine Menge unverständlicher Dokumente enthielt – nicht dass sein Reichtum künftig vom Besitz dieser Dokumente abhängig gewesen wäre: Beglaubigte Duplikate waren hinterlegt, beim Notar, im Ministerium, an zahllosen weiteren Orten; er hätte die Mappe in den nächsten Ofen werfen können und wäre immer noch der reichste Mann der Welt gewesen – diese Mappe also, diese Papiere mit ihren Stempeln und

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