Eine Billion Dollar
kleinen Andrew Peterson. Ein klangvoller Name. Fast wie Andrew Carnegie. Sie konnten ihn auf die richtigen Schulen schicken, ihn langsam in seine Rolle hineinwachsen lassen, ihn auf jede erdenkliche Art vorbereiten auf Reichtum und Macht. Wenn man es recht überlegte, war das keine unvernünftige Wendung des Schicksals.
Die Stimmung beim Abendessen war denkbar deprimierend. Die Vacchis bemühten sich, Konversation zu machen und so zu tun, als sei alles in Ordnung, aber ihr Bemühen war so spürbar, dass es John regelrecht auf den Magen schlug. Ihre Gedanken waren weit weg, bei einem dreijährigen Jungen auf der anderen Seite des Atlantiks und bei der Frage, ob es sein konnte, dass ihnen der wahre Erbe und Erfüller der Prophezeiung gänzlich entgangen war. Obwohl Giovanna sich redlich Mühe gegeben hatte, brachte John nicht viel hinab und zog sich bald zurück. Er ging dabei durch die Küche und entschuldigte sich bei ihr dafür.
Die Dunkelheit seines Zimmers war erdrückend, aber er wagte es nicht, Licht zu machen, um die Aufmerksamkeit der Reporter nicht zu erregen. Er zog sich im Dunkeln aus und legte sich zu Bett.
Warum hatten nicht Cesare und Helen ein Kind haben können? Damit hätte er sich leichter abfinden können. Cesare war immer so vieles älter gewesen, so weit über ihm, dass es ihn nicht berührt hätte. Aber nein, Lino musste es sein. Ausgerechnet Lino. Lino, der immer stärker gewesen war und das auch ausgenutzt hatte. Lino, der als Einziger gute Noten heimbrachte. Lino, der ihn immer besiegt hatte, in allem. Nun hatte er ihn wieder besiegt.
Und was würde er jetzt machen? Er hatte es nicht zu viel gebracht gehabt, aber selbst das lag seit der Begegnung mit den Vacchis in Trümmern. Er würde als tragische Figur in die Annalen eingehen, als der Mann, der beinahe Billionär geworden wäre. Man würde ihn anstarren wie eine Zirkusmonstrosität, wohin er auch ging. Die Hoffnung auch nur auf Rückkehr in ein normales Leben, wie er es gekannt hatte, konnte er begraben.
Seine Gedanken rotierten. Er stand wieder auf, tastete sich ins Bad. Da war ein Medizinschränkchen gewesen, mit allerlei handelsüblichen Medikamenten. Er fand es, öffnete es, tastete über Röhrchen, Tuben und Pillenschachteln. Nun musste er doch ein wenig Licht machen. Er suchte ein Tablettenröhrchen mit Valium heraus und öffnete es.
Am nächsten Morgen ging die Meldung um die Welt, der designierte Billionenerbe John Salvatore Fontanelli habe in der Nacht Selbstmord verübt.
Das Schluchzen am anderen Ende der Leitung wollte kein Ende nehmen. »Was für ein Unglück… madre mo, dio mo … Nichts als Unglück hat es gebracht, das Geld, hat die Familie zerstört, hat alles zerstört…«
»Mutter…«
»Und diese Teufelsbrut von Journalisten belagern mein Haus, kommen in unsere Wohnung, lassen mir keine Ruhe… Wie kommen die dazu, so etwas zu schreiben? Der Schlag hätte mich treffen können. Oder deinen Vater. Wie kommen die dazu, zu behaupten, du seist tot?«
»Vermutlich, weil sie immer irgendetwas Sensationelles bringen müssen«, sagte John.
»Mir ist fast die Luft weggeblieben. Dein Vater ist auch nicht mehr der Jüngste, denk daran, und in seiner Familie sterben die meisten am Herzen. Es kam vorhin in den Spätnachrichten. Die wir sonst nie sehen. Ich habe kein Auge zugetan seither.«
Er überschlug den Zeitunterschied. In New York musste es halb drei in der Nacht sein. »Wir haben erst vorhin davon erfahren, sonst hätte ich viel früher…«
»Und dieses Bild. Wie du da stehst, mit zwanzig Valium in der Hand.«
»Ich will dir doch die ganze Zeit erklären, wie das zu Stande gekommen ist. Das war ein bekannter Skandalreporter, Jim Huston, ein paparazzo. Er hat sich tagsüber von einem Hubschrauber auf dem Dach absetzen lassen; niemand hat das gemerkt in all dem Wirbel. Ganz oben gibt es eine Stelle, wo man von unten nicht hinsieht, dort hat er sich versteckt. Abends hat er sich an einem Stahlseil vor mein Schlafzimmerfenster herabgelassen, wie ein Bergsteiger, und sich mit seiner Kamera auf die Lauer gelegt. Als ich ins Bad bin, um eine Schlaftablette zu suchen, hat er mich fotografiert. Ich hab von all dem nichts bemerkt.«
»Das waren mindestens zwanzig Stück! Das hat man genau gesehen!«
»Die sind mir einfach herausgerutscht, Mutter.« Das stimmte nicht. Er hatte nachsehen wollen, wie viele Tabletten noch in dem Röhrchen waren, weil ihn plötzlich die sinnlose Angst befallen hatte, jemand
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