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Eine blaßblaue Frauenhandschrift

Eine blaßblaue Frauenhandschrift

Titel: Eine blaßblaue Frauenhandschrift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Werfel
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versteht dieser Herr einzukassieren, Prost Mahlzeit, das ist bekannt. Zweihundert bis tausend Schilling, eine einzige Untersuchung. Ein Herz hat er nur für Glaubensgenossen, das versteht sich, die behandelt er gratis, besonders dann, wenn sie noch im Kaftan in die Ordination kommen … Ich glaube meinerseits, ein kleines Land wie das unsre kann es sich nicht leisten, einen Abraham Bloch
    Hier nahm der alte Skutecky dem allzu eifernden Vorgeschichtler das Wort ab. Er tat es mit einem nachsichtigen und völlig objektiven Tonfall: »Ich bitte zu bedenken, daß Professor Alexander Bloch schon siebenundsechzig Jahre alt ist und daß er somit nur mehr zwei Jahre Lehrtätigkeit vor sich hat, wenn man das Ehrenjahr nicht einrechnet.« Leonidas, unhaltbar auf der schiefen Ebene, konnte es nicht unterlassen, ein Scherzwort zu zitieren, das in gewissen Kreisen der Stadt im Schwange war: »Jawohl, meiner Herren! Früher war er zu jung für ein Ordinariat. Jetzt ist er zu alt. Und zwischen durch hatte er das Pech, Abraham Bloch zu heißen …«
    Niemand lachte. Die gerunzelten Mienen von Rätsellösern betrachteten streng den Abtrünnigen. Was war hier vorgegangen? Welche dunkeln Einfüsse mischten sich ins Spiel?
    Natürlich! Der Mann einer Paradini! Mit soviel Geld und Beziehungen gesegnet, darf man sichs herausnehmen, gegen den Strom zu schwimmen. Die Paradinis gehören zur internationalen Geldaristokratie. Aha, daher weht der Wind! Dieser Abraham Bloch setzt wahrhaftig Himmel und Hölle in Bewegung, und dazu vermutlich noch das englische Königshaus. Machenschaften der Freimaurerei und des goldenen Weltklüngels, während unsereins nicht weiß, wo das Geld für einen neuen Anzug hernehmen …
    Der rothaarige Zwischenträger schneuzte hierauf seine poröse Nase und betrachtete nachdenklich das Resultat:
    »Unser großer Nachbar«, meinte er schwermütig und drohend zugleich, »hat die Hochschulen radikal von allen artfremden Elementen gesäubert. Wenn ein Bloch bei uns eine Lehrkanzel erhält, und gar die für Innere Medizin, dann ist das eine Demonstration, ein Faustschlag ins Gesicht des Reiches, das gebe ich dem Herrn Minister zu bedenken … Und wir wollen doch, um unsre Unabhän gigkeit zu verteidigen, diesen Leuten den Wind aus den Segeln nehmen, nicht wahr …«
    Das Gleichnis von dem Winde, den man dem künftigen Steuermann aus den Segeln nehmen wollte, war recht beliebt in diesen Tagen. Jemand sagte: »Sehr richtig!« Der schwammige Subalterne hinter dem Stuhl des Ministers hatte sich zu diesem Zwischenruf hinreißen lassen. Leonidas faßte ihn scharf ins Auge. Der Beamte gehörte einer Abteilung an, mit welcher der Sektionschef nur selten in Berührung kam. Der unberechenbare Spittelberger aber hatte ihn unter seine Günstlingschaft aufgenommen, weshalb er auch der gegenwärtigen Beratung zugezogen worden war. Der wasserhelle Blick des Feisten strahlte solch einen Haß aus, daß Leonidas ihm kaum standhalten konnte. Der bloße Name ›Abraham Bloch‹ hatte genügt, dieses phlegmatisch breite Gesicht mit Zornesröte zu entfammen. Aus welchen Quellen sammelte sich dieser überschwengliche Haß? Und warum wandte er sich mit dieser frechen Ofenheit gegen ihn, den erprobtesten Mann in diesem Hause, der auf fünfundzwanzig ehrenvolle Dienstjahre zurückblicken durfte? Er persönlich hatte doch niemals die geringste Vorliebe für Typen wie Professor Bloch gezeigt. Ganz im Gegenteil! Er hatte sie gemieden, wenn nicht streng abgelehnt. Nun aber sah er sich auf einmal – es ging nicht mit rechten Dingen zu – in diese verdächtige Gemeinschaft verstrickt. Das alles hatte er dem diabolischen Brief Vera Wormsers zu verdanken. Die sicheren Grundlagen seiner Existenz schienen umgestürzt. Er fand sich gezwungen, die Kandidatur eines medizinischen Modegötzen gegen seine Überzeugung zu vertreten. Und jetzt mußte er zu allem noch die unverfrorenen Bemerkungen und die schamlosen Bücke dieses breiigen Lafen hinnehmen, als wäre er nicht nur Blochs Verteidiger, sondern schon Bloch selbst.
    So schnell war das gegangen. Leonidas senkte als erster die Augen vor diesem Feinde, der ihm urplötzlich erstanden war. Da erst fühlte er, daß ihn Spittelberger hinter seinem schiefen Klemmer höchst aufmerksam anstarrte:
    »Sie haben Ihren Standpunkt aufällig geändert, Herr Sektionschef …«
    »Ja, Herr Minister, ich habe meinen Standpunkt in dieser Frage geändert …«
    »In der Politik, lieber Freund, ist es manchmal ganz gut, wenn

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