Eine Braut fuer den italienischen Grafen
gezeigt?“
„Ich kenne es nur von Fotos.“
„Modern ist es sicher nicht, und vermutlich muss es professionell gereinigt und umgeändert werden, aber …“ Seine Stimme bebte, dann hielt er inne.
„Aber …?“ Ihr Vater zeigte so selten Emotionen, dass dieser für ihn untypische Gefühlsausbruch sie zutiefst bewegte. Gleichzeitig tat ihr das Herz weh, denn eine Liebe der Art, wie er sie noch immer für seine verstorbene Frau empfand, würde sie nie erleben.
„Mach mir altem Mann die Freude, und trage bei deiner Trauung das Brautkleid deiner Mutter.“
„Du bist doch nicht alt“, protestierte sie, während ihr gleichzeitig auffiel, wie weiß und schütter sein Haar geworden war, wie tief sich die Falten um seinen Mund eingegraben hatten. Er hatte mit vierzig Jahren geheiratet, inzwischen war er siebzig, so unglaublich ihr das auch vorkam.
Entschlossen griff sie nach dem Kleid. „Lass mich mal sehen.“ Sie schüttelte es aus, hielt es eine Armlänge von sich ab und bewunderte den edlen Stoff. Am Ausschnitt war es mit edler Spitze verziert, und der Rock bestand aus drei Lagen Rüschen. Dass der altmodische Schnitt ihr nicht stehen würde, da sie nicht zierlich und schlank wie ihre Mutter war, erkannte sie auf den ersten Blick. Sie würde darin aussehen wie ein sehr großes Baiser – einfach grässlich!
Die Augen voller Tränen wandte sie sich zu ihrem Vater um und lächelte. „Es wird mir eine Ehre sein!“
Eine kühle Frühlingsbrise ließ die Fackeln neben dem Portal zum Castello Cazlevara hell auflodern, als Ana am Freitagabend vor dem Schloss anhielt. Ehe sie aus dem Auto aussteigen konnte, eilte ein livrierter Diener herbei und öffnete ihr den Wagenschlag.
„Willkommen, Signorina Viale. Der Conte und die Contessa erwarten Sie im Salon.“
Vor Aufregung schlug ihr Herz schneller. Entschlossen straffte sie die Schultern und strich mit den Händen die graue Seidenhose glatt, für die sie sich an diesem Abend entschieden hatte. Sie hatte sich mit ihrer Garderobe große Mühe gegeben, dennoch erschien sie ihr so langweilig wie immer. Gestern hatte sie sogar die Fähre nach Venedig genommen und war zu der eleganten Boutique gegangen, zu der Vittorio sie geführt hatte, um sich etwas Elegantes zu kaufen. Doch beim Blick durchs Schaufenster auf die herrlichen Roben hatte sie aller Mut verlassen, und sie war unverrichteter Dinge zurückgekehrt.
Zum Glück hatte sie in ihrem Kleiderschrank eine noch nie getragene Hose aus einem edlen, schimmernden Stoff entdeckt, die mit ihren weiten Hosenbeinen ein wenig einem Rock ähnelte. Dazu hatte sie das Seidentop angezogen, das sie bereits bei ihrem letzten Besuch im Schloss getragen hatte. Ihr Haar war nur locker zurückgebunden, sodass einige Strähnen ihr Gesicht sanft umrahmten und ihm die Strenge nahmen. Sogar einen Hauch von Lippenstift hatte sie aufgelegt.
Während sie dem Diener folgte, überlegte sie, ob Vittorio bemerken würde, wie viel Mühe sie auf ihr Äußeres verwandt hatte.
Doch als sich die Tür zum Salon öffnete, vergaß sie alles andere. Vor ihr stand eine ungemein zarte, schlanke Blondine. Constantia Ralfino, die derzeitige Contessa de Cazlevara, war eine der Frauen, neben denen sie sich grundsätzlich wie eine ungelenke Riesin vorkam.
Eine gefühlte Ewigkeit lang musterte die Contessa sie mit eisigem Blick, und Ana sank das Herz. Sie fühlte sich in ihre Internatszeit zurückversetzt, als die anderen Mädchen sie kritisch beäugt und dann als unzulänglich abgetan hatten. Diesmal verletzte die Ablehnung sie umso mehr, als sie keine linkische Dreizehnjährige mehr war.
„Das also ist deine Braut.“ Constantia blickte ihr direkt in die Augen. Ihre Stimme klang ausdruckslos, doch Ana meinte eine Spur von Geringschätzung herauszuhören. Rebellisch hob sie das Kinn.
„Wir haben einander bereits vor Jahren kennengelernt, ich bin erfreut, unsere Bekanntschaft zu erneuern.“
„Tatsächlich?“ Als Constantia keine Anstalten traf, die dargebotene Hand zu ergreifen, ließ Ana sie wieder sinken.
„Willst du uns nicht einander vorstellen?“, wandte die Contessa sich an ihren Sohn.
„Das hat Ana bereits auf bewundernswerte Weise erledigt“, erwiderte er knapp. „Wenn du allerdings darauf bestehst: Mutter, das ist Ana Viale, die Tochter unseres Nachbarn Enrico Viale, eine vielversprechende Winzerin und meine Braut. Ana, darf ich dir meine Mutter Constantia vorstellen?“
Vor Spannung schien die Luft im Raum förmlich zu knistern.
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