Eine Braut fuer Lord Sandiford
sich ein Bordell in grelleren Tönen vorgestellt.
In diesem Augenblick wurde die Tür geöffnet, und ein kleiner, schlanker Mann betrat das Zimmer. Er war nach der neuesten Mode gekleidet.
"Na, welche Überraschung hat man mir denn heute gebracht?" höhnte Lord John Weston. "Miss Clarissa Beaumont, wenn ich nicht irre."
Sie setzte sich benommen auf, während sich ihr vor Entsetzen die Nackenhaare sträubten. "Lord John?"
Er machte eine Verbeugung. "Wie freundlich – wenn auch unerwartet – von Ihnen, mich in meinem bescheidenen Etablissement aufzusuchen. Als mir Maisie erzählte, dass ihr eine Dame der Gesellschaft eines ihrer Mädchen entführt hat, nahm ich an, dass sie mir eine Lügengeschichte aufgetischt hat. Aber es hat doch gestimmt."
Irgendwie fühlte sich Clarissa durch die Anwesenheit Lord Johns beruhigter, als wenn ihr ein fremder Mann gegenübergestanden hätte. Mit ihm würde sie schon zurechtkommen.
"Wo sind mein Lakai und der Detektiv?" wollte sie mit hochmütiger Stimme wissen.
Er lachte. "Spielen wir noch immer die Ballkönigin, Miss Beaumont?" Er musterte sie von Kopf bis Fuß. "Sie werden bald herausfinden, dass ich hier den Ton angebe, meine Schöne."
"Sie können doch nicht ernsthaft in Erwägung ziehen, mich festzuhalten. Meine Dienerschaft weiß, wohin ich gegangen bin. Wenn ich nicht rechtzeitig nach Hause zurückkehre, wird man nach mir suchen lassen. Irgendwann werden sie auch hierher kommen. Das wollen Sie doch bestimmt vermeiden?"
Er zuckte die Schultern. "Das könnte vielleicht für Maisie etwas unangenehm werden. Aber ich werde ganz einfach meine Pläne schneller vorantreiben, als ich zunächst vorhatte. Wenn ich Ihre Schönheit und das Vermögen, das ich bei mir habe, zusammenzähle, hoffe ich, einen großen Gewinn zu machen."
Er trat zu dem Bett und streckte Clarissa die Hand entgegen.
"Wagen Sie es bloß nicht, mich anzufassen!"
Er hielt inne, seine Finger nur einen Zoll von ihrem Gesicht entfernt. "Oh doch, ich werde Sie anfassen, ob Ihnen das gefällt oder nicht. Sie haben mir seit Jahren die kalte Schulter gezeigt, mich immer wieder abgewiesen und gedemütigt. Jetzt sind Sie in meiner Macht und können sich nicht mehr wehren."
"Es wäre viel klüger, mich gehen zu lassen." Wenn sie ihn abzulenken vermochte, konnte sie sich vielleicht unbemerkt zur Tür stehlen.
"Sie sind mir die Richtige, von Klugheit zu sprechen. Aber ich will mich gar nicht über Ihre törichte Hitzköpfigkeit beklagen; ihr habe ich es schließlich zu verdanken, dass Sie nun hier sind."
Clarissa stand mühsam auf. Sie hoffte, dass ihr das zerknitterte Kleid den Eindruck ungebrochener Würde gab. "Wenn Sie mich gegen meinen Willen hier festhalten, werden Sie einen hohen Preis dafür bezahlen. Ein hilfloses Mädchen vom Land zu verschleppen, das ist eine Sache. Aber ein Mitglied des Adels zu entführen, das grenzt geradezu an Irrsinn." Langsam bewegte sie sich in Richtung Tür.
"Ja, es bedeutet mindestens Verbannung, wenn nicht sogar Tod durch Erhängen", stimmte Lord John zu und packte Clarissa an der Schulter. "Deshalb bleiben Sie auch hier. Morgen früh werden wir gemeinsam wegfahren. Ich möchte endlich einmal wieder den Fernen Osten sehen, wo ich schon einmal … nun ja, Geschäfte zu erledigen hatte."
Clarissa erinnerte sich an Englemeres Erzählung und konnte sich nur zu gut vorstellen, welche Geschäfte das gewesen sein mussten. Aber Lord John war ein Feigling und ein Aufschneider. Er würde es doch nicht wagen, sie, Clarissa Beaumont, zu entführen! "Mit Ihnen überquere ich nicht einmal eine Straße."
Sie kämpfte gegen seinen harten Griff an; doch trotz seiner schmächtigen Gestalt war er erstaunlich kräftig. Er hielt sie fest, bis ihm Clarissa plötzlich einen Magenschwinger versetzte.
Auch wenn ihn der Schlag überraschte, warf er ihn doch nicht völlig um. Für einen Augenblick wankte er, während sie zur Tür rannte und am Knauf rüttelte.
Noch ehe sie es schaffte, die Tür zu öffnen, war Lord John schon wieder bei ihr und riss sie zu sich herum. Er schlug ihr mit voller Wucht ins Gesicht und zog sie dann zum Bett zurück.
"Du willst es wohl auf die harte Art?" keuchte er und drückte sie auf die Matratze. "Das kannst du gern haben, wenn ich wieder da bin."
Trotz ihrer Angst ergriff Clarissa nun vor allem Ekel. Sie wollte lieber sterben, als sich diesem unappetitlichen Wicht zu ergeben.
"Dann sollten Sie besser eine Pistole und ein Messer mitbringen, denn anders werden Sie
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