Eine Braut muss her!
du dich so verhalten hast, und vergebe dir”, sagte Serena ernst.
“Natürlich kann ich nicht von dir erwarten, dass du noch dieselben Gefühle für mich hegst wie früher, aber ich habe dich und den letzten Sommer mit dir nie vergessen.”
“Auch mir ist er noch lebhaft in Erinnerung”, erwiderte Serena und lächelte matt. “Jetzt sind wir beide alt und können, wenn wir wollen, den Herbst unseres Lebens gemeinsam genießen.”
“Das ist mehr, als ich verdient habe”, meinte Jack und fühlte sich einen Augenblick lang in vergangene schöne Zeiten zurückversetzt.
“Ich war der Annahme, es würde eine Doppelhochzeit geben”, sagte Richard, während der Bruder für die in der Kapelle von Loudwater Manor stattfindende Trauungszeremonie angekleidet wurde. “Vater ist nicht minder verliebt in Mrs Lascelles als du in deine Mary.”
“Von dir und deiner Frau ganz zu schweigen”, warf Russell ein.
“Ja”, stimmte Richard schmunzelnd zu und schaute zufrieden den Bruder an. “In letzter Zeit hast du dich sehr zu deinem Vorteil verändert, mein Lieber.”
“Danke. Du wirst es vielleicht nicht glauben, aber ich bin nicht mehr neidisch auf dich.”
“Das hattest du nie nötig”, entgegnete Richard warmherzig. “Du kannst stolz auf das sein, was du erreicht hast. Im Übrigen hast du viele Fähigkeiten, über die ich nicht verfüge. Vater hätte das viel früher erkennen müssen. Du hast ihn jedoch an deine Mutter erinnert, die er nicht heiraten wollte, und ich war für ihn die lebende Erinnerung an Mrs Lascelles. Nur deshalb hat er mich dir vorgezogen. Da er inzwischen seine Fehler eingesehen hat, bemüht er sich um Wiedergutmachung und übertreibt manchmal so sehr, dass ich mich versucht fühle, ihm zu sagen, er solle endlich wieder zu einem normalen Umgangston zurückfinden. Gleichviel, du musst dich nicht mehr gegen ihn behaupten. Ich war sehr zufrieden, als ich merkte, dass du meinem Rat gefolgt bist und hin und wieder zu einer Notlüge gegriffen hast. Gewiss, Ehrlichkeit währt bekanntlich am längsten, doch in Wirklichkeit kommt man damit nicht immer sehr weit. Man muss Fingerspitzengefühl haben und rechtzeitig wissen, wann die Wahrheit etwas umformuliert werden sollte.”
“Heute stimme ich dir zu”, sagte Russell, wenngleich ihm klar war, dass er nie so konsequent sein würde wie der Bruder. Richard hätte bestimmt nicht so viel Geduld und Nachsicht mit Mr Shaw bewiesen wie er. Das war eindeutig falsch gewesen, denn durch seine Weichherzigkeit hatte er fast das Leben verloren.
“Du siehst sehr gut aus”, stellte Richard anerkennend fest.
“Genug der Schmeicheleien”, entgegnete Russell auflachend. “Komm, gehen wir. Mary wartet sicher schon auf mich.”
“Ich verstehe nicht, warum ich so schrecklich nervös bin, denn schließlich heirate ich zum zweiten Mal”, murmelte Mary und schaute verlegen die Damen an.
“Das ist begreifbar”, erwiderte Serena lächelnd.
“Deine erste Ehe wurde aus Vernunftgründen geschlossen”, warf Charlotte ein. “Ich habe deinem Vater nie verziehen, dass er dich gezwungen hat, Henry zu heiraten.”
Verträumt dachte sie daran, dass auch sie vielleicht eines Tages zum Traualtar schreiten würde. George und sie hatten jedoch beschlossen, die Eheschließung vorläufig aufzuschieben. Er hatte in Ancoates ein hübsches Cottage erstanden, bei dessen Einrichtung sie ihm zur Hand ging.
Mary betrachtete sich im Pilasterspiegel und war sehr mit ihrem Aussehen zufrieden.
Serena übergab ihr den zu dem schlichten cremefarbenen Kleid passenden Brautstrauß und fragte lächelnd: “Wem werden Sie ihn nach der Zeremonie zuwerfen?”
“Das weiß ich noch nicht”, antwortete Mary mit einem verschmitzten Blick auf die Tante.
“So, und nun die vier Dinge, die jede Braut bei sich haben muss”, schaltete Veronica sich ein. “Etwas Altes”, fügte sie hinzu und hielt Mary das kleine Taschentuch hin.
Mary nahm es entgegen und bedankte sich bei der zukünftigen Schwägerin.
“Etwas Neues”, sagte Charlotte und steckte der Nichte eine kostbare Brosche an.
“Etwas Geliehenes”, verkündete Serena und überreichte der Braut ein Strumpfband.
“Und zum Schluss etwas Blaues”, äußerte Jennie und übergab knicksend der Herrin ein schmales Bändchen, das sie ihr dann um den kleinen Finger der rechten Hand band.
Charlotte warf einen Blick auf die Kaminuhr, erschrak und sagte bestürzt: “Es ist höchste Zeit! Du willst Russell doch nicht in Unruhe
Weitere Kostenlose Bücher