Eine Braut zu viel: Roman (German Edition)
Recht. Wie lange hat es gedauert, bis ich mir eingestanden habe, was ich für ihn empfinde? Und jetzt lasse ich ihn wieder einfach so gehen. Ich zittere – vor Kälte, Frust, Hilflosigkeit und vor Angst.
Nach wenigen Schritten dreht er sich um.
»Komm, ich bringe dich nach Hause.«
Schweigend fahren wir zu meiner Wohnung.
Als er am Straßenrand hält, greife ich hastig nach dem Türgriff, doch er beugt sich über mich und hält meine Hand fest.
»Nein, geh nicht.«
Ich halte inne.
»Ich muss wissen, was du für mich empfindest, Fliss. Was erwartest du von mir? Was erwartest du von uns ?«
Ich werfe ihm einen Seitenblick zu, während ich verzweifelt mit meinem Verlangen nach ihm ringe.
»Ich weiß nur eins, so etwas habe ich noch nie für jemanden empfunden, aber es ist alles so furchtbar kompliziert.« Ich spüre, wie die Tränen mir über die Wangen strömen, so wie der Regen, der gleichmäßig über die Windschutzscheibe rinnt. Beschämt wende ich mich ab.
»Bitte hör auf zu weinen.« Seine Stimme klingt sanft und bekümmert. Er zieht mich an sich und streichelt mir übers Haar, wie bei einem Kind, das man tröstet.
»Du warst so wütend, also dachte ich, du bist vielleicht eifersüchtig auf Kat und Richard«, schluchze ich.
»Nein.« Er schüttelt den Kopf. »Ich war nicht glücklich, aber ich war auch nicht eifersüchtig. Ich habe nur plötzlich klar gesehen, das ist alles. Du hattest Recht, Fliss, als du sagtest, wir seien genauso schlecht wie sie. Dadurch wirkte alles so armselig – wir wirkten so armselig. Ich will nicht, dass es so läuft, Fliss. Ich will keine heimlichen Treffen in entlegenen Restaurants oder seelenlosen Hotelzimmern. Für mich ist das nichts Falsches oder Verwerfliches. Was ich für dich empfinde, ist nicht schäbig oder schmutzig, sodass man es verbergen müsste wie ein dunkles und abstoßendes Geheimnis.«
Der Ausdruck in seinen Augen ist unsicher, als er mich ansieht.
»Ich weiß, was ich will. Ich werde Kat verlassen, Fliss.« Er küsst mich unendlich zärtlich. Mein Magen löst sich auf wie ein Aspirin in einem Glas Wasser. Das Verlangen steigt in Perlen aus meiner Lendengegend in die Kehle auf und macht sich in einem unfreiwilligen, lustvollen Stöhnen Luft.
»Weißt auch du, was du willst, Fliss?«
Ich weiß, was ich will. Ich will, dass dieser Augenblick eingefroren wird, sodass ich für immer hier bleiben kann, in seinen Armen, ganz nahe bei ihm.
Doch plötzlich muss ich an Sally-Anne denken, die tränenüberströmt vor meiner Tür steht und mich stumm anfleht, Kat nicht den Anstoß zu geben, den sie braucht, um sich Richard endgültig zu angeln.
Ich entwinde mich Alex’ Griff, als würde mir der körperliche Abstand helfen, mich auch gefühlsmäßig von ihm zu distanzieren.
»Ich will, dass du nach Hause fährst, Alex, zurück zu Katherine, und die Sache in Ordnung bringst.« Ich ersticke fast an diesen Worten, und ein beinahe unerträglicher Schmerz überkommt mich, als ich sehe, wie überrascht und verletzt er aussieht.
»Was? Aber ich dachte …«
Ich lege zwei Finger auf seine Lippen, um ihn zum Schweigen zu bringen.
»So ist es für alle Beteiligten besser.«
»Wie kannst du das behaupten?«
»Ich weiß, dass Kat dich lieben muss, Alex.« Ich ringe mir ein Lächeln ab. »Wie könnte es anders sein?« Ich zögere kurz. »Und Sally-Anne liebt Richard …«
Bei den letzten Worten nickt er langsam und atmet tief und hörbar aus, ein langer, ergebener Seufzer.
»Ich denke, ich habe verstanden.«
»Wirklich, Alex? Ich muss es wissen.«
»Sicher.« Zögernd streichelt er mir über die Wange. Ich spüre, wie seine Hand zittert.
Der Rest des Tages kommt mir wie eine Ewigkeit vor, die sich jenseits des Erträglichen erstreckt. Ich würde am liebsten schlafen, kann aber nicht. Ich bin seltsam ruhig, völlig leer geweint, doch innerlich aufgewühlt. Meine Gefühle liegen mir wie ein Stein in meinem Magen und bereiten mir fast körperliche Schmerzen. Können Sie sich vorstellen, wie es sich anfühlt, wenn man jemanden so schrecklich will und so sehr braucht, dass jede Sekunde, die man ohne ihn auskommen muss, sich wie eine Ewigkeit anfühlt?
Draußen hat sich der Himmel über und über rosa gefärbt. Er taucht die Häuser in einen rosigen Schimmer und breitet sein riesiges, weiches Tuch am Horizont aus. Es ist wunderschön, doch noch während ich das Schauspiel ehrfürchtig betrachte, verblasst das Rosa allmählich und wird grau, bis es schließlich
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