Eine Braut zu viel: Roman (German Edition)
den Augen.
Sie lächelt nachsichtig. Offensichtlich ist sie an durchgeknallte, einsame Weibsbilder gewöhnt, die nach einem Männerersatz suchen.
Ich gehe im Gang auf und ab wie ein werdender Vater, der auf die Geburt seines Kindes wartet, unentschieden und voller Mitleid.
Und dann sehe ich ihn.
Eine braune, fette und völlig undefinierbare Promenadenmischung. Er sitzt allein im hintersten Winkel eines Zwingers, während der Rest der Bewohner am Gitter herumtobt, um mich auf sich aufmerksam zu machen. Und er sieht unglücklich aus.
Ich sehe ihn an. Er sieht mich an.
»Das ist er.« Ich deute nicht auf ihn, das wäre unhöflich.
»Sind Sie sicher?« Die Pflegerin sieht mich an, als wäre ich durchgedreht.
Ich nicke begeistert. »Der oder keiner.«
»Er ist ein Welpe und wird noch größer.«
»Noch größer als jetzt?«, frage ich ungläubig. »Ist das ein Hund oder ein Packesel?«
»Ich dachte, Sie wollten einen kleinen Hund, Madam, weil Sie nicht so viel Platz haben?«
»Ich ziehe um«, sage ich entschlossen.
Ich erkenne etwas in diesen tieftraurigen, hoffnungsvollen braunen Augen. Mich selbst.
Ich gehe in die Knie, sodass ich auf einer Höhe mit ihm bin, gebe ermutigende Geräusche von mir und rüttele mit den Fingern am Maschendraht. Er blickt zu mir, bevor er sich umsieht, als wolle er sagen, »Sicher meint sie nicht mich, sondern einen anderen«. Schließlich kommt er zögernd angetrottet, wobei er versucht, nicht zu hoffnungsvoll auszusehen. Er schnüffelt vorsichtig an meinen Fingern, dann sieht er mich aus seinen braunen Samtaugen an und grinst.
Ich verliebe mich auf den ersten Blick in ihn.
Schmachtend erwidere ich sein Lächeln.
Er leckt meine Hand.
»Kann ich ihn gleich mitnehmen?«, frage ich die Pflegerin.
»Ich fürchte, das geht nicht so schnell …«
»Biiiitte«, bettele ich. »Ich bin doch Lehrerin – und das bedeutet, dass ich zuverlässig bin.«
Auf dem Weg aus der Stadt – Reisetasche im Kofferraum und Hund Eric auf einer Decke auf dem Rücksitz – wird mir bewusst, dass ich den Weg vorbei an Alex’ Büro gewählt habe. Ich kann sein Auto auf dem Parkplatz sehen. Welches der Fenster, die im morgendlichen Sonnenlicht blitzen, gehört wohl zu seinem Büro? Wo er wohl gerade ist, was er wohl gerade tut, woran er wohl gerade denkt? Denkt er genauso oft an mich wie ich an ihn? Spürt er den gleichen dumpfen Schmerz, weil es so sinnlos ist, jemanden zu begehren, den man nicht haben kann, die unaufhörliche Angst, ihn vielleicht nie wiederzusehen, die Sehnsucht, diese endlose, unversöhnliche, zerstörerische Sehnsucht?
Ich zittere, obwohl es alles andere als kalt ist, und wische ungeduldig eine Träne fort, die es gewagt hat, aus meinem rechten Auge zu kullern. Ich bin entschlossen, nicht länger Fliss, der Waschlappen zu sein, sondern Fliss, die Furchtlose, die allem entgegentritt und mit allem fertig wird, was das Leben ihr bietet.
Eric, der so tut, als schlafe er, hört mich schniefen und öffnet ein Auge. Er quetscht sich zwischen den Vordersitzen durch und klettert auf meinen Schoß, wo er es sich mit einem tiefen, zufriedenen Seufzer bequem macht. Er muss an die zwanzig Kilo wiegen, und jedes Mal, wenn ich den Gang wechsele, rutscht er fast von meinen Beinen und knallt gegen das Gaspedal, doch er fühlt sich warm, solide und beruhigend an.
Es muss für ihn höchst unbequem sein, mit dem Kopf an der Tür und dem fetten Hinterteil auf der Handbremse zu liegen, doch er macht keinerlei Anstalten, sich zu bewegen, und ich verspüre nicht die geringste Absicht, ihn zu vertreiben. Es ist nett, zur Abwechslung einmal so bedingungslos angebetet zu werden.
Kapitel 11
Der Weg zu Florences Cottage führt mich durch die hügelige Landschaft der Chilterns, fast direkt an Angels Court vorbei. Ich fahre noch eine Meile weiter, bevor mir die Argumente ausgehen und ich kehrt mache. Als ich vor dem Tor stehe, zögere ich. Ich kann das Dach des alten Gebäudes über den Bäumen sehen, die das Grundstück säumen. Auf dem Giebel sitzt eine Schar leise gurrender Ringeltauben.
Es ist halb zehn. David wird bereits vor vier oder fünf Stunden aufgebrochen sein, um auf seinem geliebten Bauernhof zu arbeiten. So muss ich wenigstens nicht ihm und Caro gemeinsam gegenübertreten, was das Ganze etwas erleichtert.
Langsam fahre ich die geschotterte Auffahrt entlang und halte neben Caros makellos sauberem Golf GTI , neben dem mein schlammbedeckter Wagen keine besonders gute Figur macht. Ich
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