Eine Braut zu viel: Roman (German Edition)
modrigen Gesangbüchern und muffigen Kniekissen. Ich werde magnetisch von einer höheren, vollkommenen Macht angezogen, die zu vergeben vermag, wo wir uns nicht mehr vergeben, die liebt, wo wir uns nicht mehr lieben.
Ich durchquere den Mittelgang und streiche mit einer kalten Hand über die glatten Enden jeder Kirchenbank.
Das letzte Mal, als ich in einer Kirche war, hat Sally Richard geheiratet. Ich hätte nie geglaubt, ich könne noch unglücklicher werden, doch hier bin ich, das Elend in Person.
Im Moment mag ich mich selbst nicht, und ebenso wenig will ich von unglücklichen Menschen umgeben sein.
Lieber Gott, bete ich, gib mir die Kraft, das Richtige zu tun und der Versuchung zu widerstehen. P.S. Könnte ich bitte eine Menge Kraft bekommen, da die Versuchung in meinem Fall verdammt unwiderstehlich ist?
Ich dachte immer, Liebe sei etwas Gottgegebenes, aber mir ist klar, dass es falsch ist, einen verheirateten Mann zu lieben. Wie verwirrend. Wahrscheinlich sollte ich versuchen, meine Gefühle für Alex auf eine höhere, spirituellere Ebene zu verlagern, doch es ist sehr schwer, das Geistige vom Körperlichen zu trennen, zumindest was ihn betrifft.
Mein einziger Trost ist, das Richtige getan zu haben.
Das Richtige für wen?, winselt mein Herz niedergeschlagen.
Ich fahre vor Schreck fast aus der Haut, als die düstere Stille der alten Kirche durch das Klingeln meines Handys durchbrochen wird, das endlich wieder Empfang hat und verkündet, dass ich Nachrichten auf der Mailbox habe. Ich entspanne mich ein wenig, als ich höre, dass die erste Anruferin eine fröhlich klingende Sash ist.
»Hallo, Süße. Heute ist Dienstag. Es ist Mitternacht, und ich wollte dich nur wissen lassen, dass ich in einem schrillen, scharfen Schulschwesternoutfit im Bett sitze, von oben bis unten mit essbarem Massageöl beschmiert bin und die erste Zigarette meines Lebens rauche. Und was noch viel besser ist, die Kinder sind bei meiner Mutter. Sobald Niall aus dem schönsten Schlaf erwacht, den er je genossen hat, fangen wir gleich wieder von vorne an! Einen dicken Kuss für dich. Hoffe, dir geht’s gut. Ciao!«
Die gute alte Sash.
Wie schön, dass sie glücklich ist. Hoffen wir, dass Niall das Ganze aufrecht erhalten kann, im wahrsten Sinne des Wortes!
Ich kichere noch immer, als die nächste Nachricht kommt, und plötzlich ist mein Lächeln wie weggewischt.
Es ist Sally-Anne.
Sie sagt nicht viel, eigentlich nur hallo, fragt, ob es mir gut geht und ob ich sie so bald wie möglich zurückrufen kann. Es geht nicht darum, was sie sagt, sondern, wie sie es sagt.
Sie ist so ein fröhlicher Mensch, von der Sorte, die man normalerweise beneidet oder liebend gern schlagen würde, weil sie immer mit einem Lächeln aufwachen, und das selbst an dunklen, verregneten Montagmorgen im tiefsten Winter.
Heute hört sie sich an, als hätte sie soeben ihr erstes graues Haar, ihre erste Zellulitisdelle und ihre erste wirkliche Falte entdeckt, und zwar alles zur gleichen Zeit.
Besorgt rufe ich sie im Büro an, erfahre aber nur, dass sie krank ist.
Sal ist nie krank. Dafür ist sie viel zu gesund.
Ich kann hier nicht einfach rumsitzen, mich vor allen verstecken und hoffen, dass der Sturm vorbeiziehen wird und anschließend alle bis an ihr Lebensende glücklich sind. So funktioniert das nicht. Das kann es gar nicht in einer Situation wie dieser. Einer wird das Opfer sein.
Ich hatte angenommen, ich könne das einzige Opfer sein, wenn ich mich so verhalte, wie ich es getan habe. Jetzt aber sehe ich, dass dem nicht so ist. Ich habe Sally-Anne einfach mit ihren Problemen allein gelassen.
Ich muss zurück.
Als ich endlich wieder in Bluebell Cottage eintreffe, wollen Dad, Roger und Eric sich gerade auf die Suche nach mir machen. Niedergeschlagen sitzen sie alle am Gartentor und erwarten meine Rückkehr. Dad sieht bekümmert und mit gerunzelter Stirn auf die Uhr. Roger spitzt wachsam die Ohren, um auf meine Schritte zu lauschen. Eric ist damit beschäftigt, seinen Bauch zu lecken, doch sobald er mich entdeckt, versucht er, stattdessen mit seiner Zunge mein Gesicht zu bearbeiten – eine zärtliche Geste, die ich zwar durchaus zu würdigen weiß, obwohl ich sie ihm natürlich nicht durchgehen lassen darf.
Das Mittagessen verläuft sehr still.
Ich erzähle von meiner Absicht, nach Hause zurückzufahren. Dad und Florrie versuchen, mich zum Bleiben zu überreden. Sie bemühen sich so sehr, dass ich schließlich einwillige, bis zum nächsten Morgen
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