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Eine Braut zu viel: Roman (German Edition)

Eine Braut zu viel: Roman (German Edition)

Titel: Eine Braut zu viel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Harvey
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Wahrscheinlich habe ich bis zu diesem Augenblick immer noch geglaubt, das Ganze sei nur eine Masche, um mir eins auszuwischen, doch da steht er in seinem grauen Cutaway und sieht ganz wie ein aufgeregter Bräutigam aus.
    Und er sieht gut aus. Anzüge stehen ihm und lassen ihn größer erscheinen. Er würde es nie zugeben, aber es ist bekannt, dass er Schuhe mit Absätzen trägt. Um seine »Absatzchancen« zu steigern, könnte man sagen. Das Revival der Siebzigerjahre in letzter Zeit war das Größte für ihn. Er hat nur darauf gewartet, dass Plateauschuhe wieder in Mode kommen. Er sieht sich pausenlos um. Er scheint nervös zu sein. Vielleicht hat er Angst, Sally-Anne könne Vernunft angenommen haben und ihn versetzen.
    Mutter kommt mit Tante Vera und Glenys hereingerauscht. Sie trägt eine grässliche rosa Kreation und einen breitkrempigen Hut, der mit Blumen geschmückt ist, die zu denen in der Kirche und in Sallys Brautstrauß passen. Glücklicherweise bemerkt sie mich nicht. Sie ist zu sehr damit beschäftigt, Freunden und Verwandten huldvoll zuzunicken, die bereits in die kleine Kirche strömen, als sie den Mittelgang entlang in Richtung der ersten Sitzreihe marschiert. Sie winkt anmutig nach beiden Seiten wie die Queen in ihrer königlichen Kalesche. Die wenigen Leute, die mich bemerken, wissen nicht, wie sie sich verhalten sollen. Einige lächeln nervös und mitfühlend; andere wenden hastig den Blick ab und tun so, als hätten sie mich nicht gesehen.
    Keiner wagt es, sich in meine Bank zu setzen. Ist das ein Hinweis darauf, wie der Rest des Tages verlaufen wird? Mich zu behandeln, als hätte ich eine Furcht erregende, ansteckende Krankheit? Leider sieht es ganz danach aus, obwohl auch ein paar Leute dabei sind, neben denen ich sowieso nicht gern gesessen hätte.
    Ollie Barton-Davis, Richards widerlicher, aalglatter Kanzleichef, kommt herein.
    Bei mir heißt er nur Ollie, die Krake. Er ist klein und gedrungen, doch man könnte meinen, seine Arme seien zwei bis drei Meter lang, wenn man sieht, wo er mit den Händen überall hinkommt. Seit wir uns das erste Mal begegnet sind, lässt er keine Gelegenheit aus, mich zu belästigen; alberne Bemerkungen und sexuelle Anspielungen, die stets von einem Lachen begleitet sind. Der Anschein, als sei alles nur ein Scherz, schützt ihn vor einer Abfuhr oder einer Anzeige wegen sexueller Belästigung.
    Eine Sekunde lang denke ich entsetzt, er könnte sich neben mich setzen, doch dann wird er von einem Platzanweiser angesprochen und auf Richards Seite der Kirche platziert.
    Das Klappern hoher Absätze auf dem Steinfußboden verkündet die Ankunft von Kat – Raubkatze, Ex-Verlobte und wandelnder Kleiderständer. Also hat sie beschlossen, doch zu kommen. Wahrscheinlich platzt sie fast vor Neugier, wie alle anderen auch. In ihrem exklusiven Chanel-Kostüm in gebrochenem Weiß sieht sie entschieden chic, doch eindeutig nach Braut aus. Fehlt nur noch der Blumenstrauß, und sie könnte anstelle meiner Schwester durch den Mittelgang schreiten.
    Sie und Alex quetschen sich in die Reihe gegenüber von meiner Bank auf Richards Seite der Kirche. Alex sieht herüber, neigt den Kopf, als müsse er unter meinen Hut blicken, und deutet ein »Hallo« an. Kat, die angestrengt in den Gang geblickt hat wie der Ausguck auf der Titanic, der nach Eisbergen Ausschau hält, sieht ebenfalls zu mir. Sie erkennt mich nicht. Ich kann sehen, dass sie Alex fragt, wer ich bin. Bei seiner Antwort blickt sie mit plötzlich erwachtem Interesse zu mir und lächelt. Kein besonders nettes Lächeln.
    Der Chor schreitet gemessenen Schritts zu den lieblichen Klängen von »Jesu, Joy of Man’s Desiring« den Mittelgang entlang, das allerdings nicht von der Frau des Pfarrers gespielt wird, deren Begabung als Organistin eher begrenzt ist, sondern von dem kürzlich installierten Tonband kommt. In makellose weiße Gewänder gehüllt, die Gesichter geschrubbt und engelsgleich, lassen sie sich der Reihe nach auf den vorgesehenen Bänken nieder. Einer der Chorknaben zerstört das engelsgleiche Bild jedoch sofort, indem er einen Gameboy unter dem Gewand hervorzieht.
    Zwei Minuten später bricht das Gesäusel vom Band ab, und die Orgel erdröhnt seufzend, als Alice Parsifal auf ein Zeichen eines der Platzanweiser an der Tür hin in die Tasten haut und den »Hochzeitsmarsch« anstimmt.
    Ein Raunen ist zu hören, als Sally die Kirche betritt und an Dads Arm den Gang entlang schwebt. Sie sieht wirklich schön aus, geradezu

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