Eine Braut zu viel: Roman (German Edition)
um Punkt zehn Uhr zu Hause zu sein, um die Ankunft der Brautjungfern, der Blumen und der Unmengen an Alkohol zu überwachen, der ausreichen würde, um die Titanic zu fluten. Vermutlich hätte es noch schlimmer kommen können: Sally-Anne hatte mich vorsichtig gefragt, ob ich nicht als Brautjungfer fungieren wolle, doch glücklicherweise hat sie die Idee nicht weiter verfolgt.
Schließlich quäle ich mich aus dem Bett und schaffe es, eine Stunde zu spät zu Hause einzutrudeln. Glücklicherweise ist Mutter viel zu aufgekratzt, um es zu bemerken. Sally-Anne hat sechs Brautjungfern – einer der Gründe, weshalb es sie nicht allzu hart getroffen hat, dass ich mich ihnen nicht anschließen wollte.
Der bunte Haufen besteht aus zwei Freundinnen, zwei Cousinen und zwei von Richards Nichten, alle zwischen sechs und sechsundzwanzig alt. Die Sechsjährige ist die Einzige, die normal mit mir umgeht.
Alle anderen wissen nicht, was sie sagen sollen.
Natürlich grassieren Gerüchte, die von unglaublich bis lächerlich reichen und von denen das lustigste besagt, Richard gehöre einer Sekte an, die mehr als eine Frau zulässt, weswegen er uns nun beide heiraten wolle. Das günstigste ist, er habe mich wegen Sally-Anne verlassen, womit ich mich noch arrangieren kann – ganz im Gegensatz zu dem unterschwelligen Mitleid, den Blicken und dem Getuschel, wenn sie glauben, ich würde nicht hinhören.
Das Haus ist voller Verwandter, die ich seit mindestens zehn Jahren nicht mehr gesehen habe und die ich am liebsten für zehn weitere Jahre nicht sehen möchte.
Oben in Sallys Zimmer herrscht hektische Betriebsamkeit. Mutter streitet mit der Friseurin, die tapfer versucht, acht Damen innerhalb von zwei Stunden Hochsteckfrisuren zu verpassen, Lockenwickler einzudrehen und sie zu frisieren. Die jüngeren Brautjungfern werden von der Kosmetikerin beschimpft, weil sie ihre Lippenstifte haben mitgehen lassen. Mutter schwirrt durch das Zimmer und mischt sich überall ein – wie ein aufgekratzter Wellensittich, der nach langem endlich wieder den Käfig verlassen darf.
Sally, in einen hübschen, geblümten Morgenrock aus Seide gehüllt, sitzt mit aufgedrehten Haaren vor ihrem Schminktisch und lächelt glücklich. In all dem Chaos ist sie der ruhende Pol.
Ich flüchte mich in die relative Ruhe der Küche, wo ich eine halbe Stunde lang tapfer Brote für fünfzig Leute schmiere. Irgendwie fühle ich mich besser, wenn ich ein großes Fleischmesser schwingen kann. Mit Begeisterung säbele ich mich durch vierzehn Brotlaibe. Ein wunderbarer Weg, um Stress abzubauen.
Als Dads schrullige Schwester, Tante Vera, die Küche betritt, kommt es zu einem besonders peinlichen Zwischenfall. Anscheinend hat sie keine geänderte Einladung erhalten, denn sie will mir lauthals gratulieren und mir umständlich ihr Hochzeitsgeschenk überreichen.
Dad, dem Guten, gelingt es, sie unauffällig beiseite zu nehmen und ihr die Wendung der Ereignisse mitzuteilen. Nicht im Mindesten verlegen, kehrt sie zu mir zurück und erklärt mit ihrer lauten Stimme: »Drew hat gesagt, du heiratest diesen Kerl gar nicht. Freut mich zu hören, mochte ihn sowieso nicht. Verstehe wer will, warum Sally-Anne einspringen muss, nachdem du zu dir gekommen bist und Reißaus genommen hast. Aber du hattest schon immer mehr Verstand als sie.«
Wieder hält sie mir das Geschenk hin.
»Das hier hab ich speziell für dich gekauft, also sollst du es auch haben. Sally-Anne macht es sicher nichts aus, sie kriegt ja genug andere. Außerdem bist du jetzt jung, frei und wieder allein, also brauchst du es mehr als sie.«
Ich werde knallrot und öffne die edel verpackte Schachtel, in der ein hinreißend schönes und teures Spitzendessous von Janet Reger liegt.
»Such dir ’nen Mann, der es zu würdigen weiß.« Sie zwinkert mir mit einem ihrer blau geschminkten Augen zu.
»Viel lieber wäre mir ein Mann, der mich würdigt«, sage ich wehmütig.
Sie denkt eine Weile über diese Worte nach.
»Unmöglich. Alle Männer sind Schweine«, kichert sie und zerrt meinen Vater in den Garten, wo sie ihn am anderen Ende des dreißig Meter langen Rasens beschimpft.
»Also wirklich, du solltest den Rittersporn stutzen, Drew, der läuft ja schon Amok …«
Genau wie die Brautjungfern oben.
Die Kinder, die es langweilt, in Unterwäsche und Reifrock auf den richtigen Moment zu warten, um in ihre rosa Rüschenkleider zu schlüpfen, fallen wie eine Schar hungriger junger Geier über die Küche her und fangen an,
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