Eine Braut zu viel: Roman (German Edition)
vor, weil ich ihr in den letzten vier Wochen so konsequent aus dem Weg gegangen bin. Hätten sie doch nur nicht versucht, mich in ihr Sexleben mit einzubeziehen.
Ich halte mich nicht für prüde, nicht wirklich, aber Orgien sind entschieden nicht mein Fall. Es ist ja in Ordnung, seine Weichteile auf einer Basis von eins zu eins zu entblößen, aber nicht vor seinen Freunden. Soweit es mich betrifft, ist Sex kein Zuschauersport. Die Geheimnisse und Verlockungen eines bekleideten Körpers sind viel faszinierender als die Realität eines nackten Körpers. Kleider sind eine wunderbare Tarnung. Man kann seine drallen Hüften gekonnt mit einem A-förmigen Rock kaschieren, aber kaum zieht man ihn aus, sind sie für alle Welt sichtbar.
Ich kann es mir lebhaft vorstellen …
He, sieh doch nur, findest du nicht, Anna Harrington hat zugenommen? Ich bin mir sicher, ihr Hintern war bei der letzten Orgie noch nicht so breit … Und hast du bemerkt, wie Jontys Beine aussehen? Ich dachte immer, was für ein toller Typ er ist – aber diese spindeldürren Beinchen wären ja für ein unterernährtes Huhn noch eine Beleidigung. Kein Wunder, dass er immer so ausgebeulte Jeans trägt … Ach, und sieh nur, Fliss Blakeneys Bauch! Der schwabbelt ja wie Wackelpeter …«
Sich auf seine erste Orgie vorzubereiten, muss genauso hart sein wie ein Training für die Olympischen Spiele. Einen Monat vorher darf man nichts essen und muss jede freie Minute mit Joggen, Rad fahren oder Krafttraining verbringen.
Nein, Orgien sind wirklich nicht mein Ding, und nicht nur, weil ich etwas schüchtern bin. Ich war immer eine sehr freigiebige Person, doch auch ich teile nicht alles.
Ich habe mich immer für ziemlich aufgeschlossen gehalten. Ich verdamme Caro und David ja gar nicht – soll der, der ohne Sünde ist und so weiter. Aber was soll ich zu ihnen sagen? Ich kann nicht so tun, als wäre das Ganze nicht geschehen. Wie also können wir zu der wunderbaren, entspannten Freundschaft zurückkehren, die wir vorher hatten?
Können die Dinge jemals so werden wie früher? Ich weiß es nicht.
Ich denke an die Pornoszene im Wohnzimmer von Angels Court zurück, und ein Lachen steigt in mir auf. Vermutlich ist das der erste Schritt in die richtige Richtung.
Zuerst gelingt es mir, Caroline aus dem Weg zu gehen, indem ich meine Besuche im Lehrerzimmer mit militärischer Präzision kalkuliere, um ihr nicht in die Arme zu laufen. Ehrlich gesagt habe ich mir eine Kopie ihres Stundenplans besorgt und schleiche durch die Gänge des alten Gebäudes wie ein zweiter James Bond. Einmal tauche ich sogar auf der Herrentoilette ab, um ihr zu entgehen. Bei der Männerknappheit, die eine Mädchenschule mit sich bringt, sollte man meinen, ich hätte das Glück, sie leer anzutreffen.
Weit gefehlt.
Mr. Carver, unser runzliger, alter Lateinlehrer, lehnt an einem der Pissoirs und hält seinen ebenso runzligen, alten kleinen Freund in Richtung Becken. Er sieht zu mir auf und seufzt.
»Nil bastardo carborandum«, murmelt er.
Keine Ahnung, ob er mit mir oder mit sich selbst spricht.
Doch meine Ausweichmanöver können nicht ewig so weitergehen.
Irgendwann passt sie mich im verlassenen Lehrerzimmer ab.
»Sollten wir nicht mal miteinander reden, Fliss?« Unsicher lächelt sie mich an.
»Keine Zeit, hab ’ne Doppelstunde Englisch. Bin in Eile«, flöte ich und grinse verkrampft.
Ich weiß, ich bin eine totale Memme, weil ich mich immer vor den unangenehmen Seiten des Lebens drücke.
»Biiitte, Fliss. Wir müssen das klären.«
»Es gibt nichts zu klären, wirklich.« Dümmlich grinse ich sie an, und plötzlich wird mir klar, warum mir jener Abend so im Magen liegt.
Ich bin zutiefst verlegen.
Ich weiß, dass ich eigentlich souverän genug sein sollte, um eine kleine Orgie wegzustecken, aber ich bin es nicht. Als ich meine beste Freundin auf dem Boden und in den Armen einer anderen Frau sah, war ich, na ja, um ehrlich zu sein, ich war einfach schockiert. Und, wie ich bereits sagte, anschließend war ich einfach verlegen.
Ich weiß nicht, wie ich mit der Situation umgehen soll. Ich weiß nicht, ob ich das kann . Ich meine, was soll man auch zu jemandem sagen, den man zuletzt nackt auf einer Orgie gesehen hat?
»Äh, hattest du schöne Ferien?« Das dürfte ein Anfang sein.
»Also willst du so tun, als wäre nichts geschehen?«, fragt sie unverblümt.
Das hört sich für mich nach einer guten Idee an. Absichtlich lasse ich meine Unterlagen fallen, sodass ich
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