Eine Braut zu viel: Roman (German Edition)
Blinder, der etwas in Braille-Schrift liest. Verzweifelt versuche ich, mir sein Bild einzuprägen. Seine Lippen gleiten über meinen Nacken. Die Wärme seines Atems auf meiner Haut lässt mich erzittern. Als seine Lippen zu meinem Mund zurückkehren und er mich erneut küsst, beginnt mein Magen zu schäumen wie die Waschmaschine, die gerade schleudert.
Meine Hände gleiten unter sein Hemd und tasten sich über seine warme Haut und die glatte, feste Kurve seines Rückens. Er zieht mich enger an sich, fährt mit den Fingern mein Rückgrat hinauf und spielt mit meinem Haar. Ich bin völlig hingerissen vom Gewicht seines sportlichen, sehnigen Körpers, der sich gegen meinen presst. Sein Kuss wird heftiger, nicht mehr zögerlich, sondern leidenschaftlicher. Und in meinem Kopf macht sich eine mahnende Stimme breit.
Es nutzt nichts, ich kann das einfach nicht. Das ist so, als ob man sich zuviel von seinem Lieblingseis gönnt. Ganz egal, wie gut es im Moment auch schmeckt, die Schuldgefühle danach machen einen Großteil des Genusses zunichte.
Äußerst widerstrebend entziehe ich mich ihm.
»Was ist los, Fliss?«
»Das ist falsch.«
Er sieht zu Boden, dann wieder zu mir.
»So fühlt es sich aber nicht an.«
»Ich weiß, aber diese Situation. Katherine, Richard, du, meine Schwester … Das ist mir zu viel, zu kompliziert. Und ganz nebenbei bist du auch noch verheiratet. Ich will keine Ehe zerstören.«
»Selbst, wenn diese Ehe sich als totale Farce herausstellt?«
»Du hast doch selbst gesagt, sie sei eine Verpflichtung, an der du arbeiten musst.«
Er weicht zurück und lehnt sich mit verschränkten Armen an den Küchentisch.
»Wenn du nicht dasselbe fühlst, sag es einfach. Versteck dich nicht hinter falschen Schuldgefühlen.«
Wären sie es doch nur. Ich weiß ganz genau, dass diese Schuldgefühle mich ein Leben lang begleiten, mir nicht von der Seite weichen werden. Ich hätte Katholikin sein müssen, so gut bin ich darin.
Er ist verärgert. Sein Gesicht ist angespannt, und er schaut mir nicht in die Augen. Wie sehr ich mich danach sehne, diesen zornigen Mund wieder zu küssen.
»Es ist wohl besser, wenn ich gehe«, murmelt er.
Wenn er nicht geht, werde ich etwas tun, was ich später bereue.
»Das ist das Beste«, zwinge ich mich zu sagen.
Wie nichtssagend sich diese Worte anhören.
»Vermutlich.«
Im Gehen dreht er sich noch einmal um. Ich muss wegsehen und mir auf die geballte Faust beißen, um ihn nicht zurückzurufen.
Verliebt zu sein, ist angeblich ein Hochgefühl. Ich dagegen fühle mich wie auf dem Boden einer Grube. Also kann ich nicht in Alex verliebt sein. Würde ich ihn wirklich lieben, wäre ich glücklich. Würde ich ihn wirklich lieben, hätte ich ihn nicht weggeschickt, wiederholt eine Stimme ständig in mir. Doch eine andere sagt, eben weil ich ihn liebe, habe ich ihn weggeschickt.
»Er ist verheiratet«, sagt mein Kopf unverblümt.
Mein Herz rät mir immer wieder, mich nicht von technischen Details abhalten zu lassen. Kat hält ihr Eheversprechen schließlich auch nicht ein, oder?
»Aber«, sagt mein Kopf, »das bedeutet noch lange nicht, dass ich mich auf ihr Niveau begeben muss. Irgendjemand muss ja hier den Anstand wahren.«
»Und warum muss dieser Jemand unbedingt ich sein?«, fragt mein Herz niedergeschlagen.
»Ich sage nur Schuldgefühle«, seufzt mein Kopf mitfühlend.
»Oh, hallo, Schuldgefühle, seid ihr auch schon wieder da?«, jammert mein Herz.
Es ist jetzt drei Tage her, dass ich Alex weggeschickt habe. Drei ganze Tage habe ich an nichts anderes als an ihn gedacht. An ihn und daran, was hätte passieren können, wenn ich erlaubt hätte, dass er bleibt.
Wenn ich also nicht in Alex verliebt bin, dann hatte ich Recht damit, dass ich besessen von ihm bin. Besessenheit ist eine zerstörerische Form der Liebe/Lüsternheit. Ich weiß das, ich habe Eine verhängnisvolle Affäre gesehen. Glenn Close hat nicht gerade voller Frühlingsfreuden gesteckt. Sie war eher selbstzerstörerisch und mörderisch veranlagt.
Ich werde bestimmt nicht seine Haustiere umbringen oder Säure über sein Auto gießen – das würde ich viel eher bei Richard tun –, aber mein Gehirn kann auf keinen anderen Sender schalten.
Ich denke ständig an Alex.
Ich greife etwa zehnmal pro Tag zum Telefon, um den Hörer dann doch wieder aufzulegen. Ich sehne mich verzweifelt danach, mit ihm zu sprechen. Verzweiflung … was für ein trauriger Zustand. Selbst wenn ich den Mut aufbrächte, ihn
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