Eine Braut zu viel: Roman (German Edition)
selbstgefällige Lächeln taucht nicht ein einziges Mal auf.
Und zum ersten Mal seit Ewigkeiten kann ich auf Richard zugehen, als wäre er ein normaler Mensch. Er ist wie ausgewechselt. Aber vielleicht sehe ich ihn auch in einem neuen Licht. Das ist es wohl, was ich tun muss – ihm dieselbe Chance geben wie jemandem, dem ich zum ersten Mal gegenüberstehe, und in ihm nicht meinen Exverlobten, sondern Sallys Ehemann sehen.
Ich sollte versuchen, die Vergangenheit ruhen zu lassen und Richard als meinen Schwager willkommen zu heißen. Er behandelt mich ganz anders als früher und versucht nicht den ganzen Abend über, mich aufzuziehen. Stattdessen konzentriert er sich ganz auf Sally-Anne und ist, mangels eines besseren Wortes, höflich zu mir. Ich hatte mit der üblichen arroganten, streitlustigen Haltung gerechnet, aber meine Bedenken sind unberechtigt. Oder wenn schon nicht unberechtigt, so doch nebensächlich, denn im Moment stehen andere Dinge im Vordergrund.
Dad wartet noch über eine Woche, nachdem Sally ihren letzten Koffer in Richards Wohnung gebracht hat, ehe er beschließt, dass er es nicht länger aushält. Er gesteht mir, dass sein Leben noch unerträglicher geworden ist, seit er allein mit Mutter zu Hause ist und keine Sally-Anne als erfahrene Diplomatin mehr Frieden stiften kann. Schließlich sagt er Mutter, dass er sie verlässt.
Seine Entscheidung scheint sie seltsam unberührt zu lassen. Nicht, dass sie sich mir anvertrauen würde, wenn sie in dieser Sache etwas anderes außer verbitterter, unbeugsamer Resignation empfände – ihrem gegenwärtigen Geisteszustand.
Ich erinnere mich daran, dass ich als kleines Mädchen meinen Vater gefragt habe, warum er sie geheiratet hat. »Weil andere es erwartet haben« schien auf seiner ziemlich bescheidenen Liste ganz oben zu stehen. Ich habe nie gewagt, meiner Mutter dieselbe Frage zu stellen, doch wenn ich es getan hätte, hätte ich vermutlich eine überraschend ähnliche Antwort erhalten.
Meine Mutter ist jemand, der stets korrekt handelt. Ich sage nicht richtig, denn das ist es nicht immer. Ich spreche vom gesellschaftlich akzeptierten Weg. Ich glaube, sie hat gehorsam die Richtung eingeschlagen, die man von ihr erwartete. Doch ihr Leben wurde von den unausweichlichen Enttäuschungen vergiftet, die daraus resultierten, dass sie nie das bekommen hat, was sie eigentlich wollte.
Sie hat geheiratet, weil das von jungen Frauen erwartet wurde. Stellte sich die Ehe als Erfolg heraus, hatte man Glück gehabt, zumindest glaubte man das damals. Falls nicht, blieb man trotzdem zusammen.
Ich glaube nicht, dass Sally-Anne von Dads Entscheidung überrascht war. Wie ich ist sie in einer Familie groß geworden, in der es nur einem Idioten entgehen konnte, dass die elterliche Einheit alles andere als einheitlich und alles andere als glücklich war. Dennoch ist sie sehr erschüttert. Am Anfang ihrer Ehe steht das Ende der Ehe ihrer Eltern. Sie kommt nicht umhin, die beiden Vorkommnisse zu verknüpfen und sich zu fragen, ob es eine Art böses Omen ist.
Sally und ich helfen Dad beim Packen. Es ist schon bedenklich, wie wenig Sachen in diesem Haus ihm gehören. Eine kleine Kiste, in der sich hauptsächlich Krimskrams aus dem Schuppen befindet, ein kleiner Koffer und der fette Roger. Nach all den Jahren sollte man meinen, sie hätten eine gemeinsame Geschichte, gemeinsame Erinnerungen.
Das Traurige daran ist, dass sie so lange in einem Gefühlsvakuum gelebt haben. Jetzt weiß ich, dass es die richtige Entscheidung war, Richard nicht zu heiraten. Er und ich hätten in dreißig Jahren genauso dagestanden.
Ich hoffe nur, es ist nicht das Schicksal, das Sally und Richard erwartet. Doch allmählich glaube ich, ich könnte mit meiner Befürchtung falsch liegen.
Es ist Montagabend, und Richard macht Überstunden. Doch er scheint Sally jede halbe Stunde anzurufen, um sicherzugehen, dass alles in Ordnung ist.
Mutter spielt die heilige Johanna auf dem Scheiterhaufen. Sie sitzt auf dem Sofa, blickt finster drein wie eine böse alte Krähe und beobachtet aus scharfen kleinen Augen genau, ob Dad auch ja nichts mitnimmt, was ihrer Meinung nach ihr gehört.
Glenys ist als Vermittlerin herbeizitiert worden.
Ohne Unterlass säuselt sie, wie stark Miriam doch sei.
Sie ist nicht stark, was Dads Weggehen betrifft.
Es ist ihr einfach egal.
Sie genießt es, die Märtyrerin zu spielen, eine Rolle, die sie über die Jahre perfekt einstudiert hat. Jede Gelegenheit, ihr Talent unter
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