Eine dunkle Geschichte (German Edition)
verfolgen, der sich da auseinanderzieht«, setzte er hinzu, indem er seinen Gedanken mit einer Gebärde schloß, die den einzuschlagenden Weg angab. »Du, mein Kind,« sagte er zu Katharina, »auf dem Wege von Cinq-Cygne nach Gondreville kommen noch andre Gendarmen. Lauf in entgegengesetzter Richtung als Gotthard und locke sie vom Schloß nach dem Walde zu. Kurz, macht es so, daß wir im Hohlweg nicht belästigt werden.«
Katharina und der herrliche Junge, der bei dieser Sache soviel Proben von Intelligenz ablegen sollte, führten ihr Manöver derart aus, daß die beiden Gendarmenreihen glaubten, ihr Wild breche aus. In dem trügerischen Mondschein war weder der Wuchs, noch die Kleidung, noch das Geschlecht oder die Zahl der Verfolgten zu erkennen. Man setzte ihnen auf Grund des falschen Grundsatzes nach: »Wer flieht, den muß man verhaften!« Wie töricht dieser Grundsatz bei der Polizei war, hatte Corentin dem Brigadier eben energisch klar gemacht. Michu, der auf den Instinkt der Gendarmen gerechnet hatte, konnte den Wald kurz darauf mit der jungen Gräfin erreichen, die Martha nach dem angegebenen Orte geführt hatte.
»Lauf zum Pavillon«, gebot er Martha. »Der Wald muß von den Parisern bewacht sein; es ist gefährlich, hier zu bleiben. Wir werden gewiß unsre ganze Freiheit brauchen.«
Michu band sein Pferd los und bat die Gräfin, ihm zu folgen.
»Ich gehe nicht weiter,« sagte Laurence, »ohne daß Sie mir ein Pfand für den Anteil geben, den Sie an mir nehmen, denn schließlich sind Sie Michu ...«
»Gnädiges Fräulein,« entgegnete er sanft, »meine Rolle ist mit zwei Worten erklärt. Ich bin ohne Wissen der Herren von Simeuse der Hüter ihres Vermögens. Ich habe diesbezügliche Anweisungen von Ihrem verstorbenen Vater und Ihrer teuren Mutter, meiner Gönnerin. So habe ich denn die Rolle eines wütenden Jakobiners gespielt, um meiner jungen Herrschaft zu dienen. Leider begann ich mein Spiel zu spät und konnte die Eltern nicht mehr retten!« Hier versagte Michu die Stimme. »Seit der Flucht der jungen Leute ließ ich ihnen die Summen zukommen, die sie zu einem anständigen Leben brauchten.« »Durch das Haus Breintmayer in Straßburg?« fragte sie. »Jawohl, gnädiges Fräulein, die Geschäftsfreunde des Herrn Girel, eines Royalisten in Troyes, der seines Vermögens wegen, wie ich, den Jakobiner gespielt hat. Das Papier, das Ihr Pächter eines Abends am Ausgang von Troyes aufhob, bezog sich auf diese Sache; es konnte uns bloßstellen. Mein Leben gehörte nicht mehr mir, sondern ihnen, verstehen Sie? Ich konnte mich nicht zum Herrn von Gondreville machen. In meiner Stellung hätte man mir den Hals abgeschnitten, wenn man mich gefragt hätte, woher ich soviel Geld hätte. Ich zog es vor, das Gut etwas später zurückzukaufen, aber der Schurke Marion war der Strohmann eines andern Schurken: Malin. Trotzdem wird Gondreville an seine Herren zurückfallen. Das ist meine Sache. Vor vier Stunden hatte ich Malin vor der Mündung meiner Büchse. Oh, er war geliefert! ... Bei Gott, ist er erst tot, so wird Gondreville versteigert, und Sie können es kaufen. Im Fall meines Todes sollte meine Frau Ihnen einen Brief geben, der Ihnen die Mittel dazu geliefert hätte. Aber der Strolch sagte zu seinem Kumpan Grévin, eben solch einem Schurken, die Herren von Simeuse konspirierten gegen den Ersten Konsul, sie seien in der Gegend und es sei besser, sie auszuliefern und sie sich vom Halse zu schaffen, um in Gondreville Ruhe zu haben. Da ich nun zwei Meister der Spionage kommen sah, entlud ich meine Büchse und machte, daß ich herkam, denn ich dachte, Sie müßten wissen, wo und wie man die jungen Leute warnen kann ... Das ist es!« »Sie sind wert, adlig zu sein«, sagte Laurence und reichte Michu die Hand. Er wollte sich auf die Knie werfen, um diese Hand zu küssen. Laurence sah seine Bewegung, kam ihr zuvor und sagte: »Auf, Michu!« in einem Ton und mit einem Blick, die ihn in diesem Augenblick ebenso glücklich machten, wie er seit zwölf Jahren unglücklich gewesen war. »Sie belohnen mich, als hätte ich schon alles getan, was mir noch zu tun bleibt«, sagte er. »Hören Sie die Husaren der Guillotine? Reden wir anderwo weiter.« Michu ergriff den Zügel der Stute und ritt auf die Seite, der die Gräfin den Rücken zuwandte. Dann sagte er: »Kümmern Sie sich um nichts, als daß Sie sich gut festhalten, auf Ihr Pferd einschlagen und Ihr Gesicht vor den Baumästen schützen, die Ihnen hineinschlagen wollen.«
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