Eine dunkle Geschichte (German Edition)
den unnachahmlichen Ausdruck der Ehrlichkeit Eindruck machten.
»Durch die Bresche«, sagte sie, Laurence fortziehend; »da ist mein edler Mann. Sie sollen erfahren, was ein Judas wert ist.«
Katharina ging rasch in den Salon, nahm dort die Reitpeitsche, die Handschuhe, den Hut und Schleier ihrer Herrin fort und ging hinaus. Katharinas plötzliches Erscheinen und Tun waren ein so sprechender Kommentar zu den Worten des Bürgermeisters, daß Frau von Hauteserre mit dem Abbé Goujet einen Blick tauschte, in dem sich der furchtbare Gedanke ausdrückte: »Lebwohl, all unser Glück! Laurence konspiriert; sie hat ihre Vettern und die beiden Hauteserres zugrunde gerichtet ...«
»Wie meinen Sie das?« fragte Frau von Hauteserre den Bürgermeister.
»Nun, das Schloß ist umstellt; Sie werden eine Haussuchung über sich ergehen lassen müssen. Kurz, wenn Ihre Söhne hier sind, lassen Sie sie retten, ebenso die Herren von Simeuse.«
»Meine Söhne!« rief Frau von Hauteserre verblüfft.
»Wir haben niemand gesehen«, versetzte ihr Gatte.
»Umso besser!« sagte Goulard. »Ich liebe die Familien Cinq-Cygne und Hauteserre zu sehr, um mit anzusehen, wie ihnen ein Unglück zustößt. Hören Sie mich an: wenn Sie bloßstellende Papiere haben...«
»Papiere?...« wiederholte der Edelmann.
»Ja, wenn Sie welche haben, verbrennen Sie sie«, fuhr der Bürgermeister fort; »ich gehe, die Agenten hinzuhalten.«
Goulard, der es weder mit den Royalisten noch mit den Republikanern verderben wollte, ging hinaus, als die Hunde wütend anschlugen.
»Sie haben keine Zeit mehr, da sind sie«, sagte der Pfarrer. »Aber wer wird die Gräfin warnen? Wo ist sie?«
»Katharina hat ihre Reitpeitsche, ihre Handschuhe und ihren Hut nicht zum Vergnügen geholt«, sagte Fräulein Goujet.
Goulard versuchte die beiden Agenten ein paar Augenblicke hinzuhalten, indem er ihnen die völlige Unwissenheit der Schloßbewohner von Cinq-Cygne mitteilte.
»Sie kennen diese Leute nicht«, lachte Peyrade dem Bürgermeister ins Gesicht.
Nun traten die beiden zugleich süßlichen und unheimlichen Männer ein, gefolgt von dem Brigadier von Arcis und einem Gendarmen. Ihr Anblick ließ die vier friedlichen Bostonspieler zu Eis erstarren. Von einem derartigen Aufgebot von Kräften entsetzt, blieben sie auf ihren Stühlen sitzen. Der Lärm eines Dutzends Gendarmen, deren Pferde stampften, dröhnte auf dem Wiesenplan.
»Hier fehlt nur Fräulein von Cinq-Cygne«, sagte Corentin.
»Nun, sie schläft gewiß in ihrem Zimmer«, entgegnete Herr von Hauteserre.
»Kommen Sie mit mir, meine Damen«, sagte er, in das Vorzimmer stürzend und von da nach der Treppe eilend, wohin Fräulein Goujet und Frau von Hauteserre ihm folgten. »Zählen Sie auf mich!« raunte Corentin der alten Dame ins Ohr. »Ich bin einer der Ihren, ich habe Ihnen schon den Bürgermeister geschickt. Mißtrauen Sie meinem Kollegen, und vertrauen Sie sich mir an, ich werde Sie alle retten!«
»Um was handelt es sich denn?« fragte Fräulein Goujet.
»Um Leben oder Tod! Wissen Sie das nicht?« entgegnete Corentin.
Frau von Hauteserre fiel in Ohnmacht. Zu Fräulein Goujets großem Erstaunen und zu Corentins tiefer Enttäuschung war Laurences Zimmer leer. Da Corentin sicher war, daß niemand aus dem Park oder aus dem Schlosse ins Tal entweichen konnte, weil alle Ausgänge besetzt waren, ließ er jedes Zimmer durch einen Gendarmen absuchen, befahl, die Gebäude und Ställe zu durchsuchen, und ging wieder in den Salon hinunter, wo bereits Durieu, dessen Frau und alle Leute in der heftigsten Aufregung zusammengelaufen waren. Peyrade studierte mit seinen kleinen blauen Augen alle Gesichter; er blieb ruhig und kalt inmitten dieses Durcheinanders. Als Corentin allein zurückkam, denn Fräulein Goujet bemühte sich um Frau von Hauteserre, hörte man Pferdegetrappel und dazwischen das Weinen eines Kindes. Die Pferde kamen durch das kleine Gitter herein. Inmitten der allgemeinen Angst erschien ein Brigadier, der Gotthard mit gebundenen Händen und Katharina vor sich hertrieb und sie den Agenten vorführte.
»Da sind ein paar Gefangene«, sagte er. »Der kleine Schlingel war zu Pferde und riß aus.«
»Schafskopf!« sagte Corentin dem verdutzten Brigadier ins Ohr, »warum hast du ihn nicht laufen lassen? Wenn wir ihm nachsetzten, hätten wir etwas erfahren.«
Gotthard hatte den Entschluß gefaßt, wie ein Blöder in Tränen auszubrechen. Katharina stand in der Haltung der Unschuld und Harmlosigkeit da, die
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