Eine dunkle Geschichte (German Edition)
dem alten Agenten viel zu denken gab. Der Schüler Lenoirs verglich die beiden Kinder miteinander und beobachtete die einfältige Miene des alten Edelmanns, den er für verschlagen hielt, und den geistreichen Pfarrer, der mit den Spielmarken spielte, die Bestürzung aller Leute und der Durieus; dann trat er auf Corentin zu und raunte ihm ins Ohr:
»Wir haben es nicht mit Tröpfen zu tun.«
Corentin antwortete zunächst mit einem Blick auf den Spieltisch, dann setzte er hinzu:
»Sie spielten Boston! Man machte das Bett der Schloßherrin, sie ist entschlüpft. Sie sind überrascht, wir kriegen sie fest.«
Eine Bresche hat stets ihre Ursache und ihren Zweck. Der Grund, wie und warum die Bresche zwischen dem sogenannten Damenturm und den Ställen angelegt war, ist dieser. Als der biedere Hauteserre sich in Cinq-Cygne niederließ, machte er aus einer langen Schlucht, durch die die Gewässer des Waldes in den Schloßgraben liefen, einen Weg, der zwei große Landstücke teilt, die zum Vorbehaltsgut des Schlosses gehörten, aber lediglich, um dort ein paar hundert Nußbäume zu pflanzen, die er in einer Baumschule fand. In elf Jahren waren diese Bäume so dicht geworden, daß sie fast ein Dach über diesem schon von sechs Fuß hohen Böschungen eingeschlossenen Weg bildeten, der zu einem kürzlich erworbenen Waldstück von dreißig Morgen führte. Als das Schloß voll bewohnt war, ging jedermann, statt den Umweg durch das Gitter zu machen, lieber durch den Graben, um den Gemeindeweg einzuschlagen, der an der Parkmauer entlang zum Pachthofe führte. Durch die stete Benutzung wurde die Bresche auf beiden Seiten erweitert. Das geschah ohne Absicht, aber auch ohne jedes Bedenken, denn im neunzehnten Jahrhundert sind Befestigungsgräben völlig zwecklos und der Vormund sprach oft davon, sie auszunutzen. Diese dauernde Zerstörung lieferte Erde, Kies und Steine, die schließlich die Grabensohle ausfüllten. Das Wasser, aus dem diese Art von Damm hervorragte, bedeckte ihn nur in der Regenperiode. Trotz dieser Zerstörung, zu der jedermann, auch die Gräfin selbst, beigetragen hatte, war die Bresche so steil, daß es schwer war, ein Pferd hinabzuführen, und noch schwerer, es auf den Gemeindeweg hinaufzubringen. Aber es ist, als verständen die Pferde in Gefahren das Denken ihrer Herren.
Während die junge Gräfin zauderte, Martha zu folgen, und Erklärungen von ihr verlangte, hatte Michu von seiner Anhöhe herab die Linien verfolgt, die die Gendarmen beschrieben, und den Plan der Spione begriffen. Er verzweifelte am Erfolg, denn er sah niemand kommen. Ein Trupp Gendarmen folgte der Parkmauer und löste sich, in eine Postenkette auf, so daß von Mann zu Mann nur soviel Abstand blieb, daß sie sich zurufen und sehen konnten. Sie konnten also die leisesten Geräusche und die geringsten Dinge hören und überwachen. Michu lag platt auf dem Bauche, das Ohr an den Boden gedrückt, und schätzte wie ein Indianer nach der Stärke des Schalles die Zeit ab, die ihm noch blieb.
»Ich bin zu spät gekommen!« sagte er sich. »Violette soll es mir büßen! Wie lange das dauerte, bis er bezecht war! ... Was tun?«
Er hörte den Trupp, der vom Walde herabkam, vor dem Gitter vorbeireiten; offenbar wollte er durch ein ähnliches Manöver wie der Trupp, der von dem Gemeindeweg kam, sich mit diesem vereinigen.
»Noch fünf bis sechs Minuten!« sagte er sich.
In diesem Augenblick erschien die Gräfin. Michu ergriff sie mit kräftiger Hand und stieß sie in den überdeckten Weg.
»Gehen Sie geradeaus! Führe sie«, gebot er seiner Frau, »dorthin, wo mein Pferd steht, und bedenkt, daß die Gendarmen Ohren haben.«
Als er Katharina mit der Reitpeitsche, den Handschuhen und dem Hute kommen sah, aber vor allem, als er die Stute und Gotthard erblickte, beschloß dieser Mann, der in der Gefahr alles so schnell begriff, die Gendarmen ebenso erfolgreich irrezuführen, wie er es mit Violette gemacht hatte. Gotthard hatte die Stute wie durch Zauberei gezwungen, durch den Graben zu klettern.
»Leinen an den Pferdehufen! ... Ich küsse dich!« sagte der Verwalter und schloß Gotthard in seine Arme.
Michu ließ die Stute neben ihrer Herrin gehen und nahm Hut, Handschuh und Peitsche.
»Du bist klug, du wirst mich verstehen«, fuhr er fort. »Zwinge dein Pferd, auch heraufzuklettern, steig ohne Sattel auf, locke die Gendarmen hinter dir her, indem du, so schnell du kannst, querfeldein nach dem Pachthof zu reitest, und laß dich von dem ganzen Trupp
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