Eine dunkle Geschichte (German Edition)
der Verfasser des Gesetzbuches spielte Malin damals in Paris eine große Rolle. Er hatte sich eins der schönsten Häuser im Faubourg Saint-Germain gekauft und vorher die einzige Tochter eines reichen, wenig geachteten Lieferanten, namens Sebuelle, geheiratet, den er neben Marion zum Generalsteuereinnehmer im Departement Aube gemacht hatte. So war er denn nur ein einziges Mal nach Gondreville gekommen. Im übrigen verließ er sich bei allem, was seine Geschäfte betraf, auf Grevin. Was hatte er, der einstige Abgeordnete der Aube, auch von dem früheren Vorsitzenden eines Jakobinerklubs zu befürchten?
Inzwischen wurde die Meinung über Michu, die in den unteren Volksklassen schon so ungünstig war, natürlich vom Bürgertum geteilt, und Marion, Grévin und Malin bezeichneten ihn, ohne nähere Angaben und ohne sich bloßzustellen, als einen äußerst gefährlichen Menschen. Auch die Behörden, die vom Polizeiminister beauftragt waren, den Verwalter zu überwachen, entkräfteten diesen Glauben nicht. Man wunderte sich in der Gegend schließlich, daß Michu seine Stellung behielt, aber man schrieb dies Zugeständnis der Angst zu, die er einflößte. Wer verstände nun nicht die tiefe Schwermut, mit der Michus Frau gen Himmel blickte?
Martha war von ihrer Mutter fromm erzogen worden. Als gute Katholikinnen hatten beide unter den Ansichten und dem Benehmen des Gerbers gelitten. Martha entsann sich nie ohne Erröten, wie sie im Gewand einer Göttin durch Troyes geführt worden war. Ihr Vater hatte sie zur Ehe mit Michu gezwungen, dessen Ruf immer schlechter wurde, und den sie zu sehr fürchtete, um ein Urteil über ihn zu haben. Trotzdem fühlte diese Frau sich geliebt, und im Grunde ihres Herzens hegte sie für den furchtbaren Mann die echteste Zuneigung. Nie hatte sie gesehen, daß er etwas Unrechtes tat; nie waren seine Worte brutal, wenigstens gegen sie nicht; er bemühte sich, alle ihre Wünsche zu erraten. Der arme Paria glaubte seiner Frau zu mißfallen, und darum blieb er fast stets außer dem Hause. So lebten Michu und Martha in gegenseitigem Mißtrauen, sozusagen im »bewaffneten Frieden«. Martha sah keinen Menschen und litt schwer unter der Mißachtung, die sie seit sieben Jahren als Tochter eines Kopfabschneiders und ihr Gatte als Verräter erfuhr. Mehr als einmal hatte sie gehört, wie die Leute aus dem Pachthof rechts von der Allee in der Ebene – er hieß Bellache und wurde von Beauvisage bewirtschaftet, einem Manne, der an den Simeuses hing –, wenn sie am Pavillon vorbeikamen, sagten: »Da wohnen die Judasse.«
Diesen gehässigen Beinamen hatte der Verwalter in der ganzen Gegend. Er verdankte ihn seiner eigentümlichen Ähnlichkeit mit dem Kopfe des zwölften Apostels, die er noch vergrößern zu wollen schien. Dies Unglück also und eine unbestimmte dauernde Angst vor der Zukunft machten Martha nachdenklich und in sich gekehrt. Nichts betrübt ja tiefer als unverdiente Herabsetzung, aus der man sich nicht emporraffen kann.
»Franz!« rief der Verwalter, um seinen Sohn noch besonders zur Eile anzuspornen.
Franz Michu, ein zehnjähriger Knabe, tummelte sich in Park und Wald und erhob selbstherrlich seine kleinen Steuern. Er aß Früchte, jagte, hatte weder Sorgen noch Mühen; er war der einzige Glückliche in dieser Familie, die durch ihren Wohnsitz zwischen Park und Wald vereinsamt war, wie sie es geistig durch die allgemeine Abneigung war.
»Hebe mir das alles auf, was da liegt,« gebot der Vater, auf die Brüstung weisend, »und schließe es ein. Sieh mich an! Du sollst deinen Vater und deine Mutter lieben.«
Der Knabe wollte sich seinem Vater in die Arme werfen, aber Michu machte eine Bewegung, um die Büchse beiseite zu stellen, und wies ihn zurück. »Schon gut! Du hast bisweilen über das, was hier geschieht, geschwatzt«, sagte er und heftete seine beiden Raubtieraugen auf ihn. »Merke dir eins: wenn du das Gleichgültigste, was hier geschieht, dem Gaucher oder den Leuten aus Grouage oder Bellache verrätst, oder selbst der Marianne, die uns liebt, so bringst du deinen Vater ums Leben. Daß dir das nicht wieder beikommt. Dein gestriges Ausplappern verzeihe ich dir.«
Das Kind begann zu weinen.
»Weine nicht. Aber wonach man dich auch fragt, antworte wie die Bauern: ›Ich weiß nicht...‹ Es treiben sich Leute in der Gegend herum, die mir nicht behagen. Geh! – Ihr habt es gehört, ihr beiden?« sagte Michu zu den Frauen. »Haltet auch ihr den Mund.«
»Was hast du vor, mein
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