Eine dunkle Geschichte (German Edition)
Verwaltungsapparat erweckte. Sein mächtiger Wille schien sich den Dingen wie den Menschen mitzuteilen. Nachdem der Kaiser sein Wort gesprochen, vergaß er die Sache, da ihn die Koalition von 1806 überraschte. Er dachte an neue Schlachten, die er liefern wollte, und beschäftigte sich mit der Zusammenziehung seiner Regimenter, um einen großen Schlag ins Herz der preußischen Monarchie zu führen; aber sein Wunsch nach rascher Justiz fand mächtige Förderung in der Ungewißheit, in der die Stellung aller Richter des Kaiserreichs schwebte. Damals arbeiteten Cambacérès als Erzkanzler und der Oberrichter Régnier die Einrichtung der Gerichte erster Instanz, der kaiserlichen Gerichtshöfe und des Kassationshofes aus. Sie erörterten die Frage der Richtertracht, auf die Napoleon mit Recht so großen Wert legte, unterzogen das Personal einer Musterung und suchten nach den Überresten der abgeschafften Parlamentsgerichte. Natürlich glaubten die Richter des Departements Aube, daß Beweise von Eifer in der Entführungsgeschichte des Grafen von Gondreville eine ausgezeichnete Empfehlung für sie sein würden. Napoleons Mutmaßungen wurden also für die Höflinge wie für die große Masse zu Überzeugungen.
Auf dem Festlande herrschte noch Friede, und die Bewunderung für den Kaiser war in Frankreich allgemein. Er schmeichelte den Interessen, den Eitelkeiten, den Personen, den Dingen, kurz allem, selbst den Erinnerungen. Das Unternehmen erschien also jedermann als Attentat auf das öffentliche Wohl. So wurden die armen unschuldigen Edelleute mit allgemeinem Schimpf bedeckt. Die Adligen, die in kleiner Zahl und auf ihre Güter beschränkt waren, beklagten die Sache untereinander, aber keiner wagte den Mund aufzutun. Wie sollte man sich auch der Entfesselung der öffentlichen Meinung widersetzen? Im ganzen Departement wurden die Leichen der elf, im Jahre 1792 durch die Fensterläden des Hotels von Cinq-Cygne erschossenen Personen ausgegraben und gegen die Angeklagten ausgespielt. Man fürchtete, die Emigranten möchten dreist werden und sämtlich Gewaltakte gegen die Käufer ihrer Güter begehen, um deren Rückgabe durch Proteste gegen eine ungerechte Beraubung zu erwirken. So wurden diese edlen Menschen als Räuber, Diebe und Mörder hingestellt, und Michus Mitschuld wurde ihnen besonders verhängnisvoll. Dieser Mann, der mit seinem Schwiegervater alle Köpfe abgeschlagen hatte, die während der Schreckenszeit im Departement gefallen waren, wurde zum Gegenstand der lächerlichsten Märchen. Die Erbitterung war um so lebhafter, als fast alle Beamten der Aube ihre Stellung Malin verdankten. Keine hochherzige Stimme erhob sich, um der öffentlichen Meinung zu widersprechen. Schließlich besaßen die Unglücklichen auch kein gesetzliches Mittel, um die Anklage zu bekämpfen, denn das Gesetzbuch vom Brumaire des Jahres IV legte sowohl die Grundlagen der Anklage wie das Urteil in die Hand von Geschworenen und entzog den Angeklagten damit die gewaltige Rechtssicherheit der Berufung bei begründetem Verdacht. Am zweiten Tage nach der Verhaftung wurden die Herren und die Dienerschaft des Schlosses Cinq-Cygne vor die Geschworenen geladen. Cinq-Cygne verblieb unter der Obhut des Pächters und der Aufsicht des Abbé Goujet und seiner Schwester, die ins Schloß übersiedelten. Herr und Frau von Hauteserre bezogen das Häuschen, das Durieu in einer der langen und weitläufigen Vorstädte von Troyes besaß. Laurences Herz krampfte sich zusammen, als sie die Wut der Menge, die Bosheit des Bürgertums und die Feindseligkeit der Verwaltung an mehreren jener kleinen Ereignisse erkannte, die den Verwandten der in eine Strafsache Verwickelten in allen Provinzstädten widerfahren, in denen ihr Prozeß geführt wird. Statt ermutigender und mitleidiger Worte hört man dann Unterhaltungen, aus denen schreckliche Rachbegierden hervorbrechen, Kundgebungen des Hasses statt strenger Höflichkeit oder der vom Anstand gebotenen Zurückhaltung; aber vor allem empfindet man eine Vereinsamung, die gewöhnlichen Menschen sehr nahe geht, und die um so rascher fühlbar wird, als Unglück das Mißtrauen wachruft.
Laurence, die ihre ganze Kraft wiedergewonnen hatte, rechnete auf die Klarheit der Unschuld und verachtete die Menge zu sehr, um über das mißbilligende Schweigen, das man ihr bezeigte, zu erschrecken. Sie stützte den Mut des Herrn und der Frau von Hauteserre und dachte immerfort an die Gerichtsschlacht, die bei der Schnelligkeit des Verfahrens
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