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Eine Ehe in Briefen

Eine Ehe in Briefen

Titel: Eine Ehe in Briefen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sofja Tolstaja , Lew Tolstoj
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nach Ruhe und Zurückgezogenheit, und wenn schon nicht nach absoluter Einmütigkeit, so doch zumindest nicht nach jenem schreienden Widerspruch meines Lebens mit meinem Glauben und meinem Gewissen, in welchem ich jetzt lebe.
    Wenn ich diesen Schritt offen getan hätte, wäre es zu Bitten, Verurteilungen, Streit, Klagen gekommen, und ich wäre, vielleicht, schwach geworden und hätte meinen Entschluß nicht umgesetzt, der jedoch umgesetzt werden muß. Und deshalb bitte ich Euch, mir zu verzeihen, sollte mein Handeln Euch verletzen. Laßt mich, vor allem Du, Sonja, laß mich von Herzen gehen und suche mich nicht, zürne mir nicht, verurteile mich nicht.
    Daß ich Dich verlassen habe, heißt nicht, daß ich unzufrieden mit Dir gewesen wäre. Ich weiß, daß Du nicht wie ich auf das Leben blicken kannst und nicht wie ich empfinden kannst, buchstäblich nicht kannst, und deshalb weder Dein Leben ändern, noch mir Opfer zu bringen vermagst, für etwas, das Du nicht anerkennst. Deshalb verurteile ich Dich nicht, sondern denke im Gegenteil mit Liebe und Dankbarkeit an die langen 35 Jahre unseres Zusammenlebens zurück, besonders an die erste Hälfte dieser Zeit, als Du, mit der Dir eigenen mütterlichen Selbstentsagung voller Kraft und Stärke all jenes getragen hast, was Du selbst für Deine Bestimmung hieltest. Du gabst mir und der Welt das, was Du zu geben vermochtest, Du gabst Deinen Kindern viel mütterliche Liebe und hast Deiner selbst entsagt – dies nicht wertzuschätzen ist unmöglich. Doch in der letzten Phase unseres Zusammenlebens, in den letzten 15 Jahren haben wir uns voneinander entfernt. Ich kann mich nicht für schuldig halten, denn ich weiß, daß ich mich weder für mich noch für die Menschen veränderte, sondern weil ich nicht anders konnte. Auch Dich kann ich nicht verurteilen, daß Du mir nicht gefolgt bist, sondern ich danke Dir und werde Deiner stets für alles, was Du mir gabst, in Liebe gedenken. Lebe wohl, liebe Sonja.
    Dein Dich liebender Lew Tolstoi.
    8. Juli 1897. 151
    [Lew Nikolajewitsch Tolstoj an Sofja Andrejewna Tolstaja]
    [17. oder 18. November 1897]
    [Jasnaja Poljana]
    Seit langem habe ich keinen Brief von Dir, liebe Sonja, erhalten. [...] Ich fürchte, Du verübelst mir, daß ich nicht komme und hoffe doch zugleich, daß Du verstehst, wie wohl es mir tut und wie notwendig es mir ist, in jener stillen Abgeschiedenheit zu leben, trotz der Trennung von Dir, um all jenes zu tun, wasich in den letzten Jahren, vielleicht dem letzten Jahr, vielleicht den letzten Monaten, die mir bleiben, tun kann und muß. Es scheint, als langweilte ich mich hier, und oft tue ich gar nichts – ich lege Patiencen, lese Zeitung, und das Ergebnis ist, daß im Geiste Gestalt annimmt und dann auf Papier niedergeschrieben wird, was ich für wichtig halte. Ich habe ein Vorwort zu Carpenters 152 Artikel über die Wissenschaft geschrieben, der mir sehr wichtig erscheint [...] und die Überarbeitung des Aufsatzes über die Kunst beendet, es bleibt lediglich das eine oder andere bei den Korrekturen zu ändern. Und ich habe etwas Neues begonnen: ein Erzählung über den Kaukasus 153 , die me bande 154 schon lange.
    Heute oder morgen übersende ich Grot zehn Kapitel von »Über die Kunst « [...]. Es ist schön, daß ich damit fertig bin. Solange ich daran geschrieben habe, schien es überaus wichtig, nun aber scheinen andere Dinge wichtiger. [...] Ich bin wohlauf, doch ich wünschte mir mehr Energie – ich fühle mich matt. Doch vermutlich muß dem so sein. Wie geht es Dir? Schreibe mir einen schönen Brief, damit ich Dich fühlen kann. Ich möchte auch Andrjuscha heute noch schreiben. Irgendwie tut er mir leid. Ich hoffe, ja ich hoffe, daß Mischas Betragen sich gebessert hat und er Dich nicht mehr bekümmert. Lebe wohl einstweilen, liebste Sonja. Ich küsse Dich.
    [Sofja Andrejewna Tolstaja an Lew Nikolajewitsch Tolstoj]
    [19. November 1897]
    [Moskau]
    Es ist seltsam, daß Du in Deinem Brief, der heute morgen gebracht wurde, auf ebenjene Fragen antwortest, welche ich Dir in meinem Brief stellte, den ich gestern abend schrieb, den Du also noch gar nicht erhalten haben konntest. Ich meine, was Du über den Aufsatz über die Kunst schreibst und darüber, ob Du nach Moskau zu kommen gedenkst. – Die Frage zu beantworten,ob ich Dir böse bin, da Du noch nicht kommen möchtest, fällt mir jedesmal schwer. Du hast ja vollkommen recht, wenn Du sagst, die Zurückgezogenheit sei wichtig für Deine Arbeit, es bleibe Dir

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