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Eine Ehe in Briefen

Eine Ehe in Briefen

Titel: Eine Ehe in Briefen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sofja Tolstaja , Lew Tolstoj
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als im Bezirk Tschern von den örtlichen Behörden Mehl ausgegeben wird, vor allem an jene, die unsere Garküchen aufsuchen. Deshalb kann die Arbeit hier also verringert werden, in anderen Dörfern hingegen muß sie intensiviert werden; besonders im Bezirk Mzensk, wo kein Mehl ausgegeben wird, gibt es weitere Dörfer, die betroffen sind. Heute haben uns aus zwei Dörfern des Bezirks Menschen aufgesucht, und offensichtlich wird dort sehr dringend Hilfe benötigt. Ich bin gestern und heute nicht ausgeritten, denn ich litt an einer Magenverstimmung – ohne Schmerzen –, und ich habe versucht, mich zu schonen, seit heute abend geht es mir wieder vollauf gut. Gestern kam ich mit meiner Arbeit gut voran, vor allem stand mir deutlich vor Augen, woran genau es meinen Arbeiten, die ich begonnen habe, mangelt. [...] Sonja 157 erledigt die Reinschrift sehr gut [...].
    Wenn Du etwas Geld entbehren könntest, wäre es gut, wenn nicht, ist es auch nicht schlimm. Ich bin froh, zu hören, daß Du selbst den Wunsch hast, etwas zu geben.
    Daß Du in diesem Jahr viele Ausgaben zu tätigen hast, weiß ich. Lebe wohl, liebe Sonja. Ich küsse Dich, Mischa, Sascha und Tanja, doch sie ist vermutlich gar nicht bei Dir.
    L.T.
    12. Mai.
    [Sofja Andrejewna Tolstaja an Lew Nikolajewitsch Tolstoj]
    21. September 1898
    [Moskau]
    Liebster Freund Ljowotschka, Mischa kam aus Jasnaja und hatte mir absolut nicht von Interesse zu berichten. Seine Feststellung, Du seiest etwas schwermütig, indes bekümmerte mich; dies schrieb mir auch Maschenka 158 .
    Was macht Dir Sorgen? Bist Du wohlauf? Wie geht Deine Arbeit voran? Du hast mir bis jetzt nicht ein Wort geschrieben.Auch die Angelegenheit mit Andrjuscha bekümmert mich sehr 159 . Sollte diese Ehe zustande kommen, so wird sie wohl nicht lange halten. Überhaupt ist nur wenig Erfreuliches daran: Sie ist einige Jahre älter als er, hat ein kühles, unsympathisches Wesen, ist mittellos, und Andrjuscha wird nicht für sie sorgen können. Ist so etwas nicht gewöhnt. Ich kann deshalb keine Freude empfinden, und etwas vormachen kann ich ihm auch nicht. Irgendwie tut er mir leid, doch es hätte schlimmer kommen können.
    Gestern war ich in Petrowskoje-Razumowskoje und habe mich an meinem Enkel 160 ergötzt. Ein lieberes und sympathischeres Kind kann es gar nicht geben. In seiner feinen Art erinnerte er mich an Wanja. So sagte seine Mutter: »Serjosha, sei lieb zur Mamá«, und er streichelte daraufhin mit seinen kleinen Händen ihre Wangen, und gleich darauf streichelte er auch mich. [...] Er ist gesund und munter und in Statur und Aussehen ganz der Vater.
    [...] Heute war ich den ganzen Tag unterwegs, um eine Gouvernante [für Sascha] zu finden. 161 Ich überlege, ob ich eine junge Deutsche nehmen soll, die an einer höheren Schule in Riga studiert und 8 Jahre in Paris gelebt hat. Ob eine junge womöglich besser für sie ist? Ich weiß nicht, was ich machen soll. Es regnete ohne Unterlaß, ich bin müde, es sind weite Wege. Gerade habe ich die Sachen, die Maschenka geschickt werden sollen, zusammengepackt; jetzt werde ich etwas zuschneiden, dann mit der Njanja Pilze putzen und zuletzt noch die Artikel über Dich lesen.
    Lebe wohl, liebster Freund, schreibe mir. Morgen werde ich den ganzen Tag zu Hause sein und Gouvernanten empfangen. Ich küsse alle.
    S.T.
    [Lew Nikolajewitsch Tolstoj an Sofja Andrejewna Tolstaja]
    [18. oder 19. September 1898]
    [Jasnaja Poljana]
    Nicht ein einziges Mal habe ich Dir bis jetzt geschrieben, liebste Freundin, aber nicht, weil ich nicht an Dich denke und Dir nicht schreiben wollte, sondern weil ich so viel zu tun habe wie selten. So viel zu tun habe ich, da ich mit meiner Arbeit so gut vorankomme, und dann bedauert man jede halbe Stunde, die man verliert, und außerdem ist es ermüdend. Und jede verlorene halbe Stunde bedauert man, weil man weiß, daß einem nicht mehr viel Zeit bleibt. Außerdem herrscht viel Trubel: Andrjuscha und Olga, die Samarins und noch jemand. Ich habe es ja gern so. Und dann noch die Angelegenheit der Duchoborzen, die in einer schrecklichen Lage sind. 2000 Menschen wollen ausreisen, Geld aber haben sie nicht. Ich bin überzeugt, daß dieses Problem gelöst werden kann, und tue, was ich kann, ohne zu verzagen 162 .
    Es braucht Dir übrigens nicht leid zu tun, daß Du nicht mehr hier bist. Seit Deiner Abreise gab es nur einen einzigen schönen Tag. Maschenka ist bisweilen etwas launisch, doch wenn das vorüber ist, ist sie sehr lieb. [...] Über

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