Eine Ehe in Briefen
Andrjuscha und Olga schreibe ich nichts, denn ich weiß, daß Du richtig handeln wirst. Lebe wohl, ich küsse Dich.
L.T.
[Lew Nikolajewitsch Tolstoj an Sofja Andrejewna Tolstaja]
[12. Oktober 1898]
[Jasnaja Poljana]
Ich schreibe Dir, damit Du meine Handschrift siehst. Goldenweiser 163 wird Dir alles berichten. Uns allen geht es gut. Nur, was die Arbeit in den letzten Tagen angeht, kann ich mich nicht sonderlich loben.
Marx 164 habe ich mein Einverständnis gegeben, bekomme vonihm 12 T[ausend]. Suworin bot dasselbe. Vielleicht gebe ich ihm ein anderes Werk, sollte es erforderlich und genügend Zeit und Kraft vorhanden sein.
Wie hast Du Dein Leben in Moskau eingerichtet? Ich bitte Dich, ne veille pas 165 bis 3 Uhr. Dies ist sehr abträglich. Tanja ist heiter. [...] Schreibe. Ich küsse Dich, Sascha und Mischa.
L.T.
[Lew Nikolajewitsch Tolstoj an Sofja Andrejewna Tolstaja]
[31. Oktober 1898]
[Jasnaja Poljana]
Ich tröste mich mit dem Gedanken, daß Mischa vermutlich wieder zu sich gekommen ist und sich in einem normalen Zustand befindet. Sein Betragen ist einfach furchtbar. Mich betrübt dies sehr. Ich kann Dir gar nicht sagen, wie leid Du mir tust, liebe Sonja. Ich habe ihm einen Brief geschrieben, doch bin ich fast sicher, daß dieser keinerlei Spuren bei ihm hinterläßt. Er hat sich den haltlosen Gewohnheiten schon allzusehr hingegeben: Tabak, Wein, Gesang und vermutlich auch Frauen. Mit Menschen, die sich in einer solchen Lage befinden, ist das Gespräch unmöglich, man muß sie behandeln, ihnen Abführmittel, Beruhigungsmittel geben, sie der frischen Luft aussetzen, ihnen Bewegung verschaffen und genügend Schlaf, erst dann werden menschliches Gefühl und Verstand wieder in ihnen erwachen.
[...] Ich tröste mich einzig mit dem Gedanken, daß alle, fast alle, diese Phase durchschreiten. Und daß sie von allein wieder vorbeigeht. Auch Serjosha war ja kein Kind von Traurigkeit. An niemandem sonst wird derart sichtbar, wie sehr ein maßvolles Leben den Menschen verändert. Er ist ein ganz anderer geworden. – Die Veränderung vollzieht sich von innen, Worte von außen richten nur wenig aus, und doch können wir es nicht lassen, einzuwirken zu versuchen, und Du tustgut daran, wenn Du ihm sagst, was zu sagen ist. Man darf nur nicht selbst verdrießlich werden: Fais ce que dois, advienne que pourra 166 .
Gebe Gott, daß diese Überlegungen hinfällig sind und er sich bereits besonnen hat. Bei uns ist alles bestens. Ich fühle mich seit heute besser. Arbeite gut und ziemlich viel 167 . [...] Lebe wohl, Sonja, ich küsse Sascha und Mischa.
[Lew Nikolajewitsch Tolstoj an Sofja Andrejewna Tolstaja]
[17. November 1898]
[Jasnaja Poljana]
Ich kann mich nicht des innigen und traurigen Gefühls erwehren, liebe, teure Sonja, wenn ich mich Deiner Tränen am Morgen Deiner Abreise erinnere.
Ich bin überzeugt, daß das Gute, Göttliche, welches in Dir ist, über all jenes obsiegen wird, was Dich niederdrückt und erstickt, jene Apathie und jenes inhaltleere Leben, welches Du beklagst, und daß Du dereinst ein glückliches, Dir gemäßeres und ruhiges Leben führen wirst.
Ich fürchte nur, daß ich Dir dabei störend sein könnte und daß ich Dir dabei einzig dadurch hilfreich sein kann, daß meine Liebe zu Dir immer größer wird.
Hier ist das Haus voller Gäste. Morgen aber kommt niemand, nur Pasternak 168 .
Gestern unternahm ich einen langen Ausritt, heute bin ich nur spazierengegangen und habe wenig gearbeitet. Die letzten zwei Tage hatte ich etwas Kopfschmerzen und fühlte mich nicht recht frisch.
Ich schreibe heute an Marx, daß die Veröffentlichung auf März verschoben werden muß. Dies ist sowohl mir als auch Pasternak und den Verlegern im Ausland notwendig. Gestern erhielt ich die weiteren Korrekturen bis zum 40. Kapitel. Die Skizzen von Pasternak sind wundervoll. Bitte schreibe mir,mein Herz, öfter und schone Deine Gesundheit – gehe spazieren, sei nicht allzu geschäftig und gehe früh zu Bett.
Einstweilen lebe wohl. Ich bin froh, daß ich wenigstens ein wenig mit Mischa sprechen konnte. Er hat mit diesem Gespräch einen guten Eindruck bei mir hinterlassen. Ich hoffe, er war aufrichtig und bleibt standhaft. Die dicke, liebe Sascha küsse ich.
L.T.
[Lew Nikolajewitsch Tolstoj an Sofja Andrejewna Tolstaja]
[18. November 1898]
[Jasnaja Poljana]
Gestern schrieb ich Dir bereits, doch ich möchte heute noch Pasternak ein paar Zeilen an Dich mitgeben. [...] Wie ist es Dir in den letzten Tagen
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