Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Eine Ehe in Briefen

Eine Ehe in Briefen

Titel: Eine Ehe in Briefen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sofja Tolstaja , Lew Tolstoj
Vom Netzwerk:
wieder ins Zimmer, in dem Ljowuschka liegt. Sie schreit, wirft sich auf ihn, ruft seinen Namen, spricht Unverständliches. [...] Ljowa leidet ihretwegen, steht ihr bei und ist doch selbst halbwahnsinnig vor Trauer. Heute ist er spazieren gewesen, die Sonne schien, blauer Himmel, große Fliegen brummten an den Fenstern, wo die Hyazinthen stehen. In der Sonne waren es 15 Grad und die Luft war fast frühlingshaft, die Bienen in ihren Körben brummten unter der Treppe, wo sieden Winter über untergebracht sind. Dies alles erinnerte ihn an jenen Frühling, in dem sie aus Schweden hier ankamen, und an Ljowuschka, wie er jetzt an der Sonne sein könnte – er kam nach Hause gerannt, warf sich aufs Bett, auf dem Dora saß und stillte, sie warf mir Pawlik 8 in die Arme, stürzte sich in Ljowas Umarmung und beide begannen zu weinen – es ist furchtbar! [...]
    Dora sucht immerfort meine Nähe, umarmt mich oder setzt sich zu meinen Füßen auf den Boden und legt ihren Kopf auf meine Knie, erzählt mir von Ljowuschka und welche Worte er schon sprechen konnte, wie er spielte, weinte, krank war usw. Gegen den Kleinen ist sie recht gleichgültig und sagt, sie stillte und liebte ihn einzig deshalb, da Ljowuschka sie geheißen hätte, dies zu tun. Und wiederholt immerfort seine Worte: »Mamá, nimm
    mein Brüderchen auf den Arm, er hat Hunger.«
    [...] Ich warte ungeduldig auf Nachrichten von Euch. Was macht Saschas Husten? Ich bin Euretwegen sehr in Sorge und sehne mich nach Euch. Doch es ist unmöglich, jetzt abzureisen. Ich küsse Euch alle. Gebt auf Euch acht.
    Deine S. Tolstaja.
    26. Dezember 1900, in der Nacht.
    [Lew Nikolajewitsch Tolstoj an Sofja Andrejewna Tolstaja]
    [30. Dezember 1900]
    [Moskau]
    Deine Absicht, zu Tanja zu reisen, betrübte mich sehr, liebe Sonja. Aus den letzten Nachrichten von dort, die Dir Dunajew überbringen sollte, ist zu ersehen, daß es ihr sehr gutgeht und ihr die bestmögliche Pflege zuteil wird. Dunajew wurden zwei Briefe mitgegeben, einer von Serjosha und einer von Tanja selbst (sie hat ihn diktiert und auch selbst etwas hinzugeschrieben), in denen alles genau berichtet wird und die absolut beruhigenden Inhalts sind. Zu allem Unglück sagte der Beamte imTelegraphenamt Dunajew sehr überzeugt, Du seiest in Moskau, und so brachte er diesen Brief mit nach Moskau. Ich habe Dir umgehend telegraphiert und die Briefe übersandt. Doch bis zum 28. waren sie noch nicht bei Dir eingetroffen, und ich fürchte, daß Du nun doch dorthin reisen wirst. Dies macht mich Deiner körperlichen und seelischen Verfassung wegen besorgt. Was Du dort durchmachen wirst, ist allzuschwer für Dich, denn Du nimmst Dir alles allzusehr zu Herzen. [...]
    Dora und Ljowa, die Armen, tun mir sehr leid. [...] Ich bin vollauf gesund, auch Sascha hustet nicht mehr so viel und geht mit Erlaubnis Ussows 9 schon wieder ein wenig spazieren. Iljuscha ist noch hier, er reist heute ab. [...]
    Ich küsse Dich und Dora und Ljowa, die Lieben.
    30. Dezember, am Morgen.
    L.T.
    Eure Trauer empfinde ich von ganzem Herzen nach, liebe Dora und lieber Ljowa, und ich wünsche und hoffe, daß Ihr Trost finden könnt bei jenem, der ihn zu geben vermag, bei Gott. Sollte Mamá bereits abgereist sein, so sendet ihr diesen Brief nach.
    [Sofja Andrejewna Tolstaja an Lew Nikolajewitsch Tolstoj]
    [30. Dezember 1900]
    [Kotschety 10 ]
    Tanja geht es recht gut. Alles verläuft günstig: die Rekonvaleszenz, ihre Milch wird weniger, ihre Temperatur ist normal 11 . Sie ist sehr vernünftig, zügelt sich, doch die Traurigkeit des Ereignisses bleibt nicht ohne Auswirkung auf ihr seelisches Befinden. Meine Ankunft, die sie sehnlich erwartet hat, hat sie doch auch sehr aufgewühlt. [...] Sie weint nur bisweilen, da sich ihr Traum von einem Kind, einem Mädchen, nicht erfüllt hat. Die Sorge um ihren Mann, darum, was er tun wird, läßt sie nicht eine Minute los 12 . Wenn er kommt, ist ihm dies abträglich,wenn nicht, wie wenig liebt er sie dann. Dies sagt sie zwar nicht, doch sie wird es wohl denken. Sie tut mir so leid, heute nacht hat sie überhaupt nicht geschlafen.
    [...] Ich gedenke, am 1. oder 2. mit dem Abendzug abzureisen, je nachdem, wie es Tanja geht und ob es das Wetter zuläßt, das im Moment prachtvoll ist: Sonne, Frost, Ruhe und minus 10 Grad. Auf der Fahrt hierher gestern Abend ergötzte ich mich an der Natur wie lange nicht mehr. [...]
    Es ist schwierig zu schreiben, liebster Freund, da ich noch kein einziges Wort von zu Hause erhalten habe. Warum ist

Weitere Kostenlose Bücher