Eine Ehe in Briefen
Verkauf. Wie und was – Dir das alles zu berichten, dauerte zu lange. Jedenfalls ist es ein günstiges Angebot. Bei gutem Ernteertrag hätte man den Preis bereits in zwei Jahren wieder heraus. 2500 Des[jatinen 125 ] beim Preis von 7 [Rubel] für die Des[jatine], und 10000 müßte man noch hineinstecken. Noch nie zuvor war ich bei einem Kauf von Land derart überzeugt von der Richtigkeit, wie es hier der Fall ist. Ich habe dem Mittelsmann nach Samara geschrieben und bin gewillt, den geforderten Preis zu bezahlen. Selbstverständlich möchte ich zuvor Dein Einverständnis. Damit das Gut Ertrag abwirft und der Kaufpreis erwirtschaftet werden kann, müßten wir im nächsten Sommer hier leben. Gestern ritt ich zu dem zukünftigen Nachbarn, Timrot, einem ehemaligen Lyzeumszögling, mit Frau und fünf Kindern. Ich kann Dir gar nicht sagen, welche Freude und Trauer mich beim Anblick des gedeckten Teetisches und der Kinder überfielen. Ein kleines Häuschen, das 600 R[ubel] kostet, ein bestellter Garten, absolut kein Schatten, doch die Luft der Steppe, Badegelegenheit, Kumys, Ausritte – all dies hätten auch wir. Diese Landschaft hier ist malerisch– hügelig und waldlos. Wasser findet man überall, wo man einen Brunnen bohrt. [...]
Stjopa und ich fahren heute auf den Markt nach Busuluk. Von hier sind das 90 Werst. Insbesondere die Schlichtheit, Ehrlichkeit, Arglosigkeit und die Klugheit des hiesigen Menschenschlags lassen es außerordentlich verlockend erscheinen, hier ein Gut zu erstehen. Er hat mit den unsrigen Spitzbuben absolut nichts gemein. Verlockend erscheinen mir auch das gesunde Klima und die Einfachheit der Wirtschaftsführung.
Der Ertrag hier wäre zehnmal größer als bei uns, Ärger und Arbeit gäbe es jedoch zehnmal weniger.
Lebe wohl, Liebste, Geliebte. Wann werde ich Dich wieder küssen? Ich küsse Euch alle.
[Sofja Andrejewna Tolstaja an Lew Nikolajewitsch Tolstoj]
10. Juli [1871]
[Jasnaja Poljana]
Gestern erhielt ich Deinen langen, ausführlichen Brief des Inhalts, welches Leben Ihr dort führt, wie Ihr schlaft, eßt, wer Eure Gefährten sind. Besonders glücklich machte mich, daß Du nun nicht mehr jene Schwermut verspürst, welche Dich wohl in den ersten Tagen bisweilen noch überfiel. So also bringst Du also Tag um Tag der uns beiden so schweren Frist hinter Dich. Ich tröste mich damit, daß nunmehr weniger als ein Monat bleibt. [...]
Meine Gäste sind alle abgereist. [...] Während ich hier allein bin, werde ich nicht allzu traurig sein, da hier die Wände geweißt werden und wir von einem Zimmer ins nächste springen. Zuerst wurde das Kinderzimmer unten gestrichen, die Kinder schliefen in deinem Arbeitszimmer und waren begeistert, besonders Iljuscha, der die ganze Zeit mit der Büste Nikolalenkas 126 spielte: Er schlug ihn mit beiden Händen auf die Wangen, faßte ihn an der Nase usw. Es bekümmerte michein wenig, dies zu beobachten, denn ich stellte mir vor, wie er mit ihm selbst gespielt hätte, lebte er noch. Ljolja und Mascha schliefen noch zwei Nächte bei mir, nun sind beide Kinderzimmer fertig gestrichen, die Kinder wieder an ihrem Platze, und alles ist sauber und aufgeräumt. [...]
Was soll ich zum Kauf eines Gutes in den dortigen Landen sagen? Wenn man 2500 Desjatinen zu 7 Rubel dort kaufen kann – und Du möchtest wohl eben kein kleines, sondern ein großes Stück Land erwerben –, dann kostete es nur 17500 R[ubel]. Wenn es ein günstiger Kauf ist – es ist deine Sache, ich habe dazu keine Meinung. Doch in der Steppe zu leben, ohne einen einzigen Baum auf hunderte von Werst – dazu kann einen nur etwas Unausweichliches zwingen, freiwillig reist man nicht in eine solche Gegend, noch dazu mit fünf Kindern. Wenn es dort bereits Verwalter gibt, so ist der Preis günstig, wenn nicht, dann ist es nicht empfehlenswert. – Nun habe ich Dir meine Ansicht dazu mitgeteilt. Sei nicht böse, daß ich Dir widerspreche, und tue, was Du für richtig hältst.
Jeder Deiner Briefe kommt ganz unerwartet für mich [...], ich hätte nicht erwartet, daß Du mir so oft schreibst. Du kannst Dir gar nicht vorstellen, wie sehr mich Deine Briefe aufrichten und mir die Zeit kürzer erscheinen lassen. [...] Ich lese sie stets zuerst für mich, dann lese ich sie den anderen vor. Lisa und ich haben uns sehr darüber amüsiert, welch patriarchalisches Leben mit Hühnern und Produkten usw. Ihr dort führt. [...]
Manchmal glaube ich, daß Du Dich ganz dem Familienleben entwöhnst und daß Dir das
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