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Eine Ehe in Briefen

Eine Ehe in Briefen

Titel: Eine Ehe in Briefen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sofja Tolstaja , Lew Tolstoj
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Dich den Widerruf zu schreiben veranlaßte. Nie mehr werde ich mich jetzt in Deine Angelegenheiten einmischen.
    [...]
    22. [Februar]. Am Morgen.
    Die ganze Nacht hat Wanja nicht geschlafen, hatte Angstzustände, schrie, daß ein zottiger Bär ihn ergreife, erst gegen 6 Uhr des Morgens schlief er in meinem Bett ein. Immerfort erinnerte mich dies daran, wie Aljoscha, bevor er starb, sich fürchtete, nichts essen wollte, und Wanetschkas Zustand war dem Aljoschas so ähnlich, daß ich geradezu verzweifelte. Jetzt ist es 10 Uhr, ich habe bei allen Fieber gemessen, Wanja hat 37°. Mischa hustet sehr schwer, ist heiser, hat aber kein Fieber, Wanja und Sascha sind gutgelaunt nach neun aufgestanden.Ljowa scheint bedrückt, unsere familiäre Betriebsamkeit scheint ihn anzustrengen, er ist nicht mehr daran gewöhnt.
    Ich erhielt einen Brief von Alexandrine, den ich beilege 70 . Grot rät, Deinen Brief, Ljowotschka, an alle Redaktionen in Rußland zu senden. Die eine oder andere Zeitung wird ihn veröffentlichen, dann werden auch andere ihn nachdrucken 71 . Grot glaubt, im »Westnik Jewropy« 72 wird man es wagen, ihn zu drucken. Hier heißt es, die Jugend, die sich in Dir getäuscht meine, zerreiße Deine Portraits usw. Dies ist es, was traurig macht, diesem gilt es Einhalt zu gebieten.
    Tanja, wie ist Deine Seelenstimmung?
    [...]
    Lebt wohl, meine lieben Freunde. Ich bin etwas in Sorge der Überweisungen und Geldanweisungen wegen, die ich an Euch übermittle. Eigentlich müßte ich hier alles notieren, was ich aber nicht tue. Warum schickst Du, Ljowotschka, mir denn nicht die unterschriebene Anweisung über die 1400 Rubel zurück? Ich habe sie jemandem mitgegeben, weiß aber nicht mehr, wem. Ich schicke sie noch einmal los. Ich küsse Euch alle.
    S. Tolstaja.
    [Lew Nikolajewitsch Tolstoj an Sofja Andrejewna Tolstaja]
    [28. Februar 1892]
    [Begitschewka]
    Während der Zeit der Schneestürme lebten wir in völliger Einsamkeit und Ruhe. Gestern, am 27., ritt ich wieder nach Roshnja, doch erneut war kein Durchkommen. Überall Berge von Schnee und keine freien Wege. Ich war des Brennholzes und des Kinderheims wegen in Kolodesi und einem anderen Dorf, schmiedete mit den Bauern und war um 5 wieder zurück. [...]
    Von Grot erhielt ich meine Erklärung an die Zeitungen und Zeitschriften in hektographierter Form zur Weiterleitung an die Zeitungen. Ich habe alle unterschrieben und sende sie ab. Sei um Gottes Willen, liebste Freundin, all dessentwegen nicht beunruhigt. Aus dem Brief der lieben Alexandrine ersehe ich, daß dort ein Ton herrsche, als ob ich mir etwas hätte zu schulden kommen lassen und ich mich vor irgend jemandem zu rechtfertigen hätte. Diesen Ton darf man nicht zulassen. [...]
    Die Regierung errichtet eine Zensur, die absurd und ungesetzlich ist und es den Menschen nicht gestattet, ihre Gedanken in der sie umgebenden Welt frei zu äußern, und deshalb geschieht es, daß deren Werke in entstellter Form im Ausland publiziert werden. Die Regierung gerät in Aufregung, doch statt die Angelegenheit offen und unparteiisch zu untersuchen, versteckt sie sich erneut hinter der Zensur, spielt beleidigt, erlaubt sich, andere zu beschuldigen und sucht nicht die Schuld bei sich selbst. Was ich im Aufsatz über den Hunger schrieb, ist ein Teil dessen, was ich seit zwölf Jahren in unterschiedlicher Art und Weise schreibe und sage, was ich bis zu meinem Tod sagen werde und was mit mir alle Aufrichtigen und Wahrhaftigen auf der Welt sagen, was das Herz eines jeden unverdorbenen Menschen sagt, was das Christentum sagt, welches jene predigen, die von der ganzen Sache so erschreckt sind. Ich bitte Dich, nicht im Ton der Angeklagten zu sprechen. Dies wäre eine Umkehrung der Rollen. Man kann schweigen. Wenn man aber nicht schweigt, so sollte man nicht die »Mosk[owskije] wed[omosti]« beschuldigen, eine Zeitung, die ganz und gar nicht von Interesse ist, und auch nicht die Menschen, sondern man sollte die Schuld in den Verhältnissen sehen, die all das möglich machen, was bei uns geschieht. Ich wollte Dir dies lange schon schreiben. Und heute morgen sage ich mit frischem Geist, was ich darüber denke.
    Bedenke bitte auch, daß meine Schriften, in welchen ich meineAnsichten äußerte, in 10000en von Exemplaren in verschiedensten Sprachen veröffentlicht sind. Und ganz plötzlich, aufgrund irgendwelcher geheimer Briefe, die in einer englischen Zeitung erschienen, haben nun alle begriffen, was ich für ein Vogel bin? Das ist doch lächerlich.

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