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Eine Ehe in Briefen

Eine Ehe in Briefen

Titel: Eine Ehe in Briefen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sofja Tolstaja , Lew Tolstoj
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schreibt ihm keine heimlichen Briefe, so bitte ich sie um Verzeihung. Aber allzuoft hat sie mich schon belogen!
    [...]
    Ich mache mir weiterhin Sorgen Eurer Abwesenheit wegen, und welche Folgen sie zeitigen mag. Poscha 67 und ich stöhnten auf, als wir lasen, daß Du Pfannkuchen gegessen hast. So etwas hat Dich schon einmal fast das Leben gekostet, dies war ebenfalls im Februar. Dies ist der schlimmste Monat für Gallenerkrankungen. Auch mir geht es seit der Reise nach Begitschewka nicht gut, ein häufiger Schmerz unter der Schulter; ich bitte Dich also, auf Deine Gesundheit zu achten und Dich mit dem Essen vorzusehen.
    [...]
    Wanetschka lief die ganze Zeit ganz aufgeregt hin und her, suchte etwas, das er den »jungen Damen« schicken könnte. Er fand Pistazien, die er in ein Schächtelchen füllte, erbat dann noch etwas von mir und bat mich zu schreiben: »Den jungen Damen von Wanetschka«. Mögen sie sein Schächtelchen und seine Aufmerksamkeit nicht gering schätzen.
    Gestern hatten die Kinder Tanzunterricht und lernten voller Begeisterung die Masurka. Mischa spricht nur noch vom Tanzen, führt seine Künste immerfort vor, und Andrjuscha betrachtet ihn mit einem gewissen Neid, da er die Stunde versäumte. Seit fünf Tagen ist sein Hals gerötet. Er hat kein Fieber, doch er darf nicht ausgehen, was ihn sehr betrübt. – Sie haben gute Vorsätze für die Fastenzeit gefaßt: Sie wollen fleißig lernen, in Betragen ein Ausgezeichnet erhalten, nur Fastenspeisen essen usw. – Sascha ist gesund, Wanja ebenso, er singt schon den ganzen Vormittag über, spielt und freut sich des Lebens. [...] Habt Ihr die Zwiebeln und den Kohl erhalten? [...] Diesist soweit alles. Ich küsse Euch alle. Vergeßt mich nicht, meine lieben Freunde, und antwortet bald auf meine Fragen.
    S. Tolstaja.
    16. Februar 1892.
    [Sofja Andrejewna Tolstaja an Lew Nikolajewitsch Tolstoj]
    [19.-22. Februar 1892]
    [Moskau]
    19. Februar 1892.
    Meine Lieben, anbei sende ich Euch den Frachtschein für den Kohl. Achtet darauf, daß alle Fässer unversehrt sind. [...] Gestern war Stachowitsch sen. hier und hat mich wieder sehr beunruhigt. Ich werde nicht alles wiederholen, was er berichtete, doch es scheint, daß der Unmut in der Gesellschaft noch größer ist als in der Regierung und daß wir noch längst nicht außer Gefahr sind. Noch eine Kleinigkeit, und man wird uns nicht mehr verschonen. In Begitschewka meint man, dies alles sei gar nichts, ich fühle mich hier aber wie ein gehetzter Hase, als ob ich mich versündigt hätte, würde mich am liebsten irgendwo verstecken, um nichts sehen und hören zu müssen.
    Ljowa geht es besser, er hat seinen Bericht an die »Russkije wedomosti« 68 geschickt, sich ein wenig mit den Kleinen beschäftigt, d.h. sich mit ihnen unterhalten. Andrjuscha ist sehr schlecht in der Schule. Er tut einem richtig leid! Ich schreibe morgen weiter, soeben wurde eine Unzahl von Briefen und Geschäftskorrespondenz gebracht. Und irgendwie ist mir traurig zumute, es fällt mir schwer zu schreiben.
    Tanja, Liebe, ich schicke die gesamte Presseschau der »Argus de la Presse« 69 , denn es ist interessant, was geschrieben wurde, doch ich bitte Dich, mir alles wieder mitzubringen. Dies alles aufzubewahren ist von historischem Interesse.
    [...]
    20. Februar
    Heute gegen 12 Uhr begann Wanetschka zu gähnen, hatte plötzlich Schüttelfrost, jetzt ist es vier, er hat Fieber und schläft. Mitja Obolenski kam vorbei und fragte mich: »Ist es denn wahr, daß Lew Nikolajewitsch verhaftet und auf Jasnaja Poljana unter Arrest gestellt wurde?« Es heißt, in der Universität kursierten Proklamationen revolutionären Inhalts, die mit »Lew Tolstoj« unterzeichnet seien. Ich bin überzeugt, daß diese Proklamationen unter dem Namen Tolstoj von den »Moskowskije wedomosti« in Umlauf gebracht wurden. [...]
    Während ich schrieb, hat das Fieber auch Sascha erwischt. Sie hat 38,3°, doch sie ist ganz kalt, und es schüttelt sie. Hier hat es seit gestern alle getroffen – Ljowa, Mitja, Annuschka und nun die Kinder. Und auch ich habe etwas Leibschmerzen. Ich bin in jeder Hinsicht Euretwegen sehr besorgt: Ob Ihr möglicherweise auch krank geworden seid wegen der Gerüchte des allgemeinen Unmuts gegen Papá, des Schneetreibens – all diese Fragen beunruhigen mich in den vergangenen vier Tagen, da ich nichts mehr von Euch hörte.
    [...]
    Soeben habe ich einen Brief vom »Prawitelsstwenny westnik« mit einer Ablehnung erhalten. Verzeih mir, Ljowotschka, daß ich

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