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Eine Ehe in Briefen

Eine Ehe in Briefen

Titel: Eine Ehe in Briefen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sofja Tolstaja , Lew Tolstoj
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»Krieg und Frieden« geschrieben. Nur eines noch: Bei »Kindheit« habe ich oft geweint, bei »Familienglück« hatte ich einen Kloß im Hals, bei »Krieg und Frieden« indes ist man beständig überrascht, bezaubert, fassungslos – doch man weint nicht. Warten wir ab, was bei »Anna Karenina« sein wird.
    Die Kinder sind wohlauf, waren heute nicht draußen. [...] Weiterzuschreiben »finde ich nichts«, wie unser Verwalter aus Samara zu schreiben pflegte. Ich mache mich nun wieder an die Korrekturen, werde erneut bis tief in die Nacht daran arbeiten. – Du schreibst gar nichts über Maschas Husten. Ich hoffe, daß Ihr an einem Tag wie dem heutigen aufeinander achtgebt und Euch schont. Ich küsse Euch und werde nun nicht mehr schreiben.
    S. Tolstaja.
    Ich weiß nicht, warum, aber bei der Lektüre von »Krieg und Frieden« rühren mich am meisten der alte Fürst und die FürstinMaria, überhaupt alles, was die Familie Bolkonski betrifft, die Rostows indes ganz und gar nicht.
    [Lew Nikolajewitsch Tolstoj an Sofja Andrejewna Tolstaja]
    [15. September 1893]
    [Jasnaja Poljana]
    Als Wanetschka heute zum Tee kam, erzählte ich ihm, daß es Dir nicht gut gehe, und ich sah, wie sehr ihn dies bedrückte. [...] Er ist sehr lieb, mehr noch als lieb – er ist gut. Gestern war prachtvolles, erfrischendes Wetter, und ich bin bis nach Tula gewandert. Dort wollte ich Dawydow 87 treffen und aufs Postamt. [...] Dawydow ist sehr nett. Er hat mir erzählt, daß im »Figaro« ein Auszug aus meinem letzten Buch »Das Reich Gottes [ist in uns]« über die Rekrutierung erschienen ist. Dies ist mir ziemlich unangenehm. Des weiteren ist mir unangenehm, daß Mascha ihre Beziehung zu S[ander 88 ] wieder aufgenommen hat. Sie hat ihn sehr harsch, allzu harsch, wie es scheint, zurückgewiesen. Er schrieb ihr daraufhin einen Brief, der sogar mich anrührte. Ich antwortete, sprach ihm meine Anteilnahme aus und hoffte, damit habe es sein Bewenden. Doch sie antwortete ebenfalls auf seinen Brief und teilte ihm mit, daß sie seinen Antrag nicht ablehne, daß alles bei dem bliebe, wie es besprochen war, bevor er abgereist ist, nämlich daß sie bis zum neuen Jahr warten werde. Sie tut mir sehr leid. Ich hoffe, sie wird sich besinnen. Doch es ist unabdingbar, daß die Veränderung ihrer Gefühle und ihrer Beziehung zu ihm sich in ihr und durch sie selbst vollzieht. Ein Einwirken von außen wird einem guten Ausgang dieser Geschichte nur störend sein. [...] Bitte brüskiere sie nicht. Das alles ist sehr bedauerlich, wenn sie aber so krankhaft gestimmt ist, so kann man ihr wohl nur mit Zärtlichkeit und Sanftmut helfen. [...] Daß nach P[etja] R[ajewski] und P[oscha 89 ] ihre Wahl ausgerechnet auf S[ander] fallen mußte! Wir werden alles besprechen,wenn wir uns sehen. [...] Ich kann mir vorstellen, wie Dich dies verdrießen wird. Gebe Gott, daß Dich dies alles weniger beunruhigt als mich. Ich küsse Dich und die Kinder.
    L.T.
    [Sofja Andrejewna Tolstaja an Lew Nikolajewitsch Tolstoj]
    19. September 1893
    [Moskau]
    Allein zu lesen.
    Liebster Freund Ljowotschka, Du schreibst, wie sorgenvoll Du Maschas wegen bist und schilderst mir die Geschichte, die sie nun wieder angebandelt hat. Warum aber hast Du Dich hinreißen lassen, S[ander] einen Brief zu schreiben? Du bist ganz augenscheinlich sehr erregt, und der ganze Kummer über diese Geschichte hat Dich erneut übermannt; wenn Dein Gefühl diese Verbindung ablehnt, so mußt Du geradlinig handeln. Wir können doch nicht zulassen, daß Mascha sich in ihrem unnormalen Zustand diesem fetten Deutschen allein deshalb, weil er ihr einen sentimentalen Brief zu schreiben vermochte, an den Hals wirft. Es ist einfach unmöglich, sich Mascha in bürgerlicher, deutscher Umgebung mit einem rotnasigen Mann vorzustellen, mit Marktgängen nach Bier und Würstchen – und mit vielen kleinen, weißen Sanderleins. Das ist einfach schauderlich! Ich werde ihr nicht schreiben, denn ich kann nichts anderes schreiben, als das, was ich ihr bereits sagte: die Familie oder dieser Deutsche. Sie muß sich entscheiden; und sie sollte wissen, daß sich unser Verhältnis zu ihr – auch wenn wir sie nicht wie in alten Zeiten aufgrund ihres töchterlichen Ungehorsams in Fragen der Ehe unwiderruflich verdammen werden – abkühlen wird und nicht mehr sein wird wie zuvor, was hundertmal schlimmer für sie sein wird als die ärgste Verdammung. Und all dies, d.h. ihre gute, geordnete Familie, ist sie einzutauschen gewillt gegen einen unbekannten

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