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Eine Ehe in Briefen

Eine Ehe in Briefen

Titel: Eine Ehe in Briefen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sofja Tolstaja , Lew Tolstoj
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Mascha, hoffe von ganzem Herzen, daß sie vor dem Schneetreiben angekommen ist 81 . Heute herrscht starker Frost, und es hat sehr viel geschneit. Gestern wollten wir eigentlich nach Piro[gowo] fahren, doch um 12 begann es zu schneien, so daß wir unsere Abreise verschoben haben, heute schneite es ebenfalls, und wir haben unsere Pläne ganz aufgegeben. – Zwei Tage habe ich Dir nicht geschrieben, und es tut mir leid. [...] Wanja! Wir kommen bald und werden Dich im Korb herumtragen 82 . Und wir bringen Dich an einen Ort, den Du nicht erraten kannst. Und wenn Du den Deckel hochhebst, wirst Du etwas erblicken, das Du noch nie zuvor gesehen hast. Ich küsse Dich und die Mamá und Deine Brüder. Wenn meine Kapuze in Moskau ist, so schickt sie mir bitte.
    L.T.
    [Sofja Andrejewna Tolstaja an Lew Nikolajewitsch Tolstoj]
    [14. November 1892]
    [Moskau]
    Soeben habe ich mit der Abendpost einen Brief von Mascha und den Deinen, lieber Ljowotschka, erhalten. Ich bin froh, daß Ihr nicht nach Pirogowo gefahren seid; der Gedanke daran, daß Ihr zu fahren gedenkt, peinigte mich seit gestern sehr. Hier in Moskau herrschen Schneetreiben, starker, eiskalter Wind und 11 Grad Frost. Wie mag es da nur auf dem freien Feld sein? Maschas wegen kann ich keine Minute unbesorgtsein. Läuft allein draußen umher, hat keinen guten Pelz, niemanden, der sie umsorgt und an sie denkt, ja überhaupt bemerkte, ob sie wieder da ist. Die Kälte dort muß fürchterlich sein. [...] Du schreibst über Dich selbst, Du seiest alt. Dazu ist zunächst einmal zu sagen, daß sich im Herbst alle älter fühlen, alles scheint im Zustand des Sterbens begriffen, es ist ganz natürlich, dies ebenso wie die Natur zu empfinden. Und zweitens wirst Du ohne mich tatsächlich schneller älter, denn ich teile mit Dir die Reste meiner Jugend – wenn Du mit mir und den Kindern zusammen bist, geht es Dir besser. Und drittens ißt Du vermutlich zu wenig und schlecht. Wenn man sich nur von Gemüse, mit anderen Worten also nur von Wasser, ernährt, kann sich kein Mensch gesund fühlen, vor allem, wenn er sein ganzes Leben daran gewöhnt war, sich gut zu ernähren. [...]
    Ich bin die ganze Zeit zu Hause, denn ich habe einen schrecklichen Schnupfen. Den ganzen Tag habe ich heute gelesen, am Abend mit Mischa musiziert, er spielt so gern auf der Geige, und auch mir bereitet es Vergnügen. Sascha und Wanetschka sind stets dabei, entweder sitzen sie ruhig da und hören uns zu, oder sie tanzen ganz still mit ihren Puppen zur Musik. Wenn der Walzer von Chopin gespielt wird, ruft Wanetschka jedesmal: »Den mag ich so gern« und schlägt mit seinen kleinen Fingern den Takt. – Jetzt habe ich versucht, Andrjuscha bei seinem Aufsatz zu helfen. Doch auf alles, was ich ihm riet, antwortete er unwillig, und es legten sich böse Falten auf seine Stirn. Er hat ein bemitleidenswertes, unangenehmes Wesen. Er macht mir die größten Sorgen. So viele Opfer, Mühen und Plagen, ja sogar Ausgaben, und es führt doch zu nichts. [...]
    Gestern habe ich bis halb vier Uhr in der Nacht an meiner Erzählung geschrieben 83 . Sollte sie irgendwann einmal veröffentlicht werden, so wird sie aufgrund der ungeübten Art, wie sie verfaßt ist, möglicherweise durchfallen, aber die Leidenschaftlichkeit, Ehrlichkeit und Wahrhaftigkeit, mit der sie geschrieben wurde, wird die Menschen beeindrucken. Doch es bleibt nochviel Arbeit, bis ich damit am Ende bin. Ich denke nur bisweilen daran, schreibe nur, wenn ich gar nicht anders kann, lege sie dann immer wieder für lange Zeit weg, wenn ich keine Lust zu schreiben verspüre. Vielleicht werde ich sie gar nicht zu Ende schreiben.
    [...]
    Ist es bei Euch auch warm genug? Die Fenster sind doch gar nicht abgedichtet. Ich denke, daß es Euch dort nicht allzugut ergeht, was das leibliche Wohl betrifft. Und was sitzt Ihr auch da, wie in einer Winterhöhle? Es ist geradezu lachhaft.
    Ich küsse Dich, liebe Tanja, und werde glücklich sein, Dich zu sehen. Nach Dir sehne ich mich sehr, und wenn Du nicht bei mir bist, tut es mir immer am meisten weh. Was machen Deine Zähne? Wenn Du kommst, solltest Du Dich hier ihrer annehmen. Lebt wohl.
    S.T.

1893
    [Sofja Andrejewna Tolstaja an Lew Nikolajewitsch Tolstoj]
    [11. Februar 1892]
    [Moskau]
    Gestern schrieb ich Mascha, und heute erhielt ich Eure Briefe, meine Lieben, Ljowotschka und Tanja. Nun weiß ich endlich, daß Ihr gut in Begitschewka angekommen seid. Morgen sind es zwei Wochen seit Eurer Abreise. Welch eine Aufregung herrscht

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