Eine eigene Frau
Gerüche darin überraschten. Man vernahm den Duft von Kölnisch Wasser, Kampfer und einer vanilleartigen Blüte, von dem Saida allerdings wusste, dass er von den Zigarren des Generals stammte.
Gerüchten zufolge hatte der General angeordnet, die Matratze aus seinem Bett zu entfernen, und das Mädchen zeigte, dass dies stimmte, indem sie den Rand der Decke anhob. Die einzige Polsterung des herrschaftlichen Bettes bestand in einer unter dem Laken gefalteten Wolldecke. Eine solche Kargheit machte großen Eindruck auf den Jungen – wie in Sparta! Aus demselben spartanischen Grund war es im Zimmer auch überraschend kühl. Das Brennholz wurde gar nicht benötigt. Der General wollte in einem kühlen Zimmer schlafen.
Tante Elin hatte Arvi schon vorher erzählt, dem General müsse jeden Morgen ein eiskaltes Bad bereitet werden. Zu diesem Zweck hatte er eine sonderbare zusammenfaltbare Gummiwanne mitgebracht. Und der Militärdiener des Generals, wusste man, verfüge über ein spezielles Gerät zum Messen der Wassertemperatur.
Als Arvi vorsichtig den Säbel aus der Scheide zog, spähte Saida in den großen Schrank in der Zimmerecke. Dort hing die Paradeuniform in ihrer ganzen erschütternden Pracht.
Es war die blaue Paradeuniform des Ulanenregiments, erklärte Arvi, der Waffenrock an der Vorderseite gelb, der Lederhelm mit einem Doppeladler und einer großen weißen Troddel verziert. Die zur Uniform gehörenden Orden, Gürtel und Schulterriemen sowie die übrigen Verzierungen hatte der Militärdiener sorgfältig in die Schrankfächer gelegt.
Als Saida sich wunderte, wozu die aus Goldfäden gemachten Handfeger dienten, konnte Arvi sein Wissen zur Anwendung bringen und erklären, das seien Epauletten, die an den Schultern angebracht würden. Auf dem Gürtel und dem Schulterriemen lag noch ein penibel gefaltetes Paar blütenweißer Handschuhe aus weichem Leder.
Auch jetzt noch, beim Striegeln, denkt Arvi daran zurück, wie weich sich das Leder zwischen den Fingern anfühlte. Was für eine Vorstellung, solche Handschuhe einmal anziehen zu dürfen!
Was für eine Kleidung der General wohl für die Ausfahrt am Stephansabend wählen wird? Die Herrschaften werden mit dem Schlitten fahren, aber Mannerheim hat den Wunsch geäußert, zu Pferd teilnehmen zu dürfen. Er hat sich schon am Tag in den Ställen umgesehen und sich unter den Pferden des Guts eine schwarze Stute mit weißen Fesseln ausgesucht. Das Warmblutpferd ist agil und will sich zeigen, aber Arvi kennt es und weiß mit ihm umzugehen. Nach dem Reitpferd von Feldmarschall Sandels trägt es den Namen Bijou, und der General hat es gekauft, um es nach Warschau mitzunehmen.
Der Bursche muss die Stute nun für den General vorbereiten. Nachdem er sie gestriegelt hat, reinigt er die Hufe. Er gibt ihr Wasser, aber nur ein wenig. Dann füttert er sie mit einem von den Äpfeln, die im Herbst vom Obstgarten des Guts geliefert worden sind. Das Pferd ist jetzt ruhig, aber aufmerksam. Es wartet auf seinen Reiter. Arvi wartet ebenfalls, und er ist zweifellos aufgeregter als das Tier, weiß aber, dass er alles beherrscht, was man von ihm verlangt, und glaubt, es mit militärischer Schlichtheit ausführen zu können: das Pferd aus der Box führen, die Zügel reichen, die Steigbügel richten.
Arvi ist für seine Aufgabe bereit.
Da es der General mit dem Zeitplan genau nimmt, hat man Arvi eine Uhr gegeben, auf der er verfolgen kann, wie die Zeit vergeht. Jetzt sind es noch zehn Minuten, bis der General kommen soll, um sein Reitpferd abzuholen. An einem Nagel neben der Boxentür hängt das Zaumzeug. Der schwarze Sattel liegt auf seinem eigenen Gestell. Die jungen Leute, die an der Schlittenfahrt teilnehmen, sind bereits im Stall eingetroffen.
Arvi gibt sich Mühe, nicht ständig nach Nora zu schielen, die eine grüne Samtjacke trägt und die Satteldecke befühlt, die der Militärdiener des Generals gebracht hat. Sie liegt zusammengefaltet auf dem Rand der Boxenwand. Der General reitet in seiner Paradeuniform, und die Decke ist ein Bestandteil davon. Sie ist mit den Kennzeichen des Regiments versehen sowie mit Goldknöpfen, welche der Doppeladler ziert. Die Ecken des Stoffs sind mit Ornamenten aus goldenen Borten bestickt. Nora tritt an das Pferd heran und betrachtet es mit zur Seite geneigtem Kopf.
»Ist das ein Hengst?«
Arvi wird rot. Sein Schicksal scheint an diesem Feiertag darin zu bestehen, ständig zu erröten, weil ihm Mädchen Fragen nach Pferden stellen. Dabei grüßt Nora
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