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Eine eigene Frau

Eine eigene Frau

Titel: Eine eigene Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Lander
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laut, wie viel er in den Kessel schüttet. Mit den Kaffeelöffeln macht er es genauso, um zu signalisieren, dass er sich voll und ganz auf diese Tätigkeit konzentrieren muss. Dann hackt er mit dem Beil Holz klein und steckt die Späne in den Ofen. Als Nächstes hantiert er klimpernd mit Tassen und Tellern.
    Die Mädchen werfen sich verlegen Blicke zu, fangen aber schließlich unter Fannys etwas verstimmter Geigenbegleitung an zu singen. Mit leicht geöffnetem Lammpelz spielt sie, ohne nach rechts und links zu schauen, melancholisch konzentriert, die Geige fest unters Kinn gedrückt. Allerdings kommt es trotzdem zu einer lästigen Unterbrechung, als die kleine Tekla aus dem Schlaf erwacht und über das sonderbare Aussehen der Gäste erschrickt. Sie fängt laut an zu heulen.
    Sakari nimmt das schreiende Kind auf den Arm, schaut auf die Mädchen, die sich vor ihm drehen, und lächelt starr. Die Welt kommt ihm schon lange seltsam und rätselhaft vor, genauer gesagt seit dem Tod seiner Frau. Auch die jungen Mädchen in ihren ulkigen Kleidern und mit ihren rußigen Gesichtern sehen wie rätselhafte Fantasiegeschöpfe aus. Bevor Seelia krank wurde, kamen am Knutstag allerlei Gesellschaften herein, zumeist betrunkene Burschen mit unanständigen Liedern, aber seit zwei Jahren lässt sich nur dieses Mädchentrio bei ihnen sehen.
    Die Unterbrechung ihres Auftritts sorgt auch bei den Gästen für zunehmende Verlegenheit. Der stumme Hausherr hält nachlässig das schreiende Kind auf dem Arm, das gar nicht daran zu denken scheint, sich zu beruhigen. Schließlich verstaut Fanny ihre Geige im Kasten, und Impi fällt ein, dass sie schon längst zu Hause sein müsste. Saida sagt, sie würde schon eine Tasse trinken, da der Kessel nun mal auf dem Herd stehe und der Tisch gedeckt sei. Mit geradezu trotziger Entschiedenheit nimmt sie Platz. Die anderen Mädchen werfen ihr verwunderte Blicke zu, sagen aber nichts, sondern verabschieden sich murmelnd und verschwinden durch die Tür.
    Draußen fällt dünner, nasser Schnee in der Dezembernacht. Sakari legt das schluchzende Mädchen neben seinen großen Bruder. Da Saida kein anderes Gesprächsthema einfällt, fragt sie nach dem, was Erwachsene immer von Kindern wissen wollen: Sie erkundigt sich bei Viki nach seinem Alter.
    Neun Jahre, antwortet der Junge so laut, dass Saida überrascht auflacht. Auch Sakari muss schmunzeln. Saida nennt Viki einen außergewöhnlich tüchtigen Jungen, worauf Tekla aufhört zu schluchzen und die Ohren spitzt. Aus dem, was sie ihrem Bruder ins Ohr tuschelt, geht hervor, dass sie auch ein außergewöhnlich tüchtiger Junge sein möchte. Sie schielt unter der Hand des Bruders hervor auf den Besuch und zieht ungeduldig an ihren Strümpfen. Saida fragt das Kind nach seinem Alter. Tekla streckt sechs Finger in die Höhe. Darauf muss Saida zugeben, dass auch Tekla ganz besonders tüchtig sei.
    Saida hat sich das Gesicht nicht mit Ruß geschwärzt, sie lächelt jedes Mal breit, wenn Sakari zufällig in ihre Richtung schaut. Die Flammen zeichnen unruhige Schatten auf die weiße Mauer, als der Mann mit dem Haken einen Ofenring anhebt und den Kessel richtig hinstellt.
    Saida plaudert über dieses und jenes, sie erzählt vom Weihnachtsbesuch im Herrenhaus, insbesondere von einem General, der in mancherlei Hinsicht ein bemerkenswerter Mann zu sein scheint. Saidas Oma und die Küchenmagd Miina hätten fast einen Herzanfall bekommen, als der General unvermutet in der Küche auftauchte und seltsame Würste und Sauerkraut auf den Tisch stellte. Kurz darauf folgte ihm die Gräfin und lachte, als sie den General Omas Töpfe betasten und die Schränke öffnen sah. Die Gräfin teilte mit, es komme zu einer Änderung auf dem Speiseplan für den Stephanstag. Es gebe ein polnisches Nationalgericht, dessen Zubereitung der General gleich ins Rezeptbuch diktieren würde, sobald er herausgefunden habe, was in den Schränken an Zutaten vorhanden sei.
    »So, so«, sagt Sakari, ohne große Begeisterung an den Tag zu legen, und beugt sich über Tekla, um ihr mit dem zerknitterten Taschentuch, das er aus der Hosentasche gezogen hat, die Nase abzuwischen. Was Sakari am meisten Sorgen bereitet, ist, ob Saida seine Fahne riecht.
    Saida erzählt, ihre Großmutter sei entsetzt gewesen, nachdem sie endlich das Rezept erhalten habe. Dem Gericht wurde zwar der prächtige Name »Bigos à la Mannerheim« gegeben, aber der Inhalt schien ein unfassbares Durcheinander zu sein. Es kamen Schwein und Rind,

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