Eine eigene Frau
duftet nach gewachstem Leder. Das Pferd hebt einen Fuß.
Arvi wartet. Dann hebt Bijou den Schweif und lässt einen dampfenden Haufen auf das glänzende Trockenstroh, das Arvi gerade erst gewechselt hat, fallen. Blitzschnell schnappt er sich die Forke und trägt die Pferdeäpfel zur Mistrinne. Frisches Stroh kann er jetzt nicht mehr holen, aber er bedeckt die befleckten Halme mit einem Armvoll sauberer. Nora und ihre Begleiter prusten vor Lachen, aber Arvi weiß, dass er alles richtig macht.
Dann kommt der General. Er überprüft Sattel und Gebiss, tätschelt Bijou den Hals und sieht schließlich Arvi in die Augen.
»Ich bedanke mich. Gut gemacht.«
Genau wie Arvi es sich gedacht hat, will der General sich eine Weile mit dem Pferd abgeben. Er tätschelt ihm den Hals und sagt ihm schwedische Wörter, die Arvi beinahe wieder zum Erröten bringen. So reden Männer wahrscheinlich mit Frauen, wenn niemand es hört. Im richtigen Moment weiß Arvi den General auf die mitgebrachten Leckerbissen hinzuweisen. Dieser nickt zustimmend und wählt die Karotte. Die zwei Zuckerstücke steckt er in die Tasche. Damit will er das Pferd später belohnen.
Respektvoll und schweigend sieht die ganze Gesellschaft zu, wie sich der Kavalleriegeneral mit dem Pferd beschäftigt. Er benimmt sich, als wäre außer ihm und der Stute niemand da.
Schließlich darf Arvi auf Geheiß des Generals Bijou aus der Box in die Stallgasse führen. Routiniert schwingt sich der General in den Sattel. Sofort nimmt er einen festen Sitz ein, drückt leicht mit den Waden gegen die Flanken und nimmt behutsam Gebisskontakt auf. Das Pferd weiß, dass es in guten Händen ist. Draußen warten die Schlitten. Von dort hört man das Schnauben der Zugpferde, was Bijou veranlasst, den Kopf zu schütteln. Der General zieht die Zügel etwas an, beugt sich aber zugleich nach vorne, um dem Pferd den Hals zu tätscheln und ihm etwas ins Ohr zu sagen. Dann legt er die Zügel aus den Händen und steigt ab. Er ruft Arvi zu sich.
»An der Satteldecke fehlt ein Zierknopf. Als mein Bursche die Decke in den Stall brachte, muss der Knopf noch an seinem Platz gewesen sein. Wir werden den fehlenden Knopf jetzt suchen, und dann wird ihn ein Fräulein mit geschickten Fingern gewiss sogleich annähen können.«
Auf der Stelle wird nach einem Dienstmädchen und Nähzeug geschickt. Arvi begibt sich mit wild pochendem Herzen auf alle viere und sucht im Stroh nach dem goldenen Knopf.
Er hat fürchterliche Angst, ihn nicht zu finden.
Aber noch mehr Angst hat er, ihn zu entdecken.
Mit wachsendem Grauen tastet er sich voran, aber die zunehmende Übelkeit wird nicht durch die Mistklümpchen, die an seinen Händen hängen bleiben, ausgelöst.
Außer Atem erscheint Olga Malmberg mit dem Nähkästchen in der Box. Tante Olga beißt sich auf die Lippe, und zwischen ihren Augen bilden sich Sorgenfalten, denn sie weiß Bescheid. Sie weiß Bescheid, auch wenn sie es nicht versteht. Genau in dem Moment spürt der Junge unter seiner Handfläche den harten, kalten, runden Knopf. Er umschließt ihn und steht auf.
Wie ein Traumwandler geht Arvi mit ausgestrecktem Arm zum General und öffnet die Faust. Dabei muss er die Augen geöffnet halten, und darum passiert es: Der Anblick des im Licht der Karbidlampen blinkenden Knopfes ist genauso schrecklich, wie Arvi es befürchtet hat.
Er kann nichts mehr dagegen tun: Der Gerstenbrei, den er am Nachmittag gegessen hat, landet in hellen Flecken auf den glänzenden Stiefeln des Generals.
1913
5. Januar. August Aalto und Kusta Marlin sind ertrunken.
Mai: Taisto Aleksander Tammisto ist am 13. Mai in der Gemeinde Akaa in der Provinz Häme um 3 Uhr morgens geboren worden.
Der ältere Taisto ist am selben Abend um 9 Uhr gestorben.
Sakari, 29
Vartsala, Januar 1913
Sakari ist überrascht, als er die maskierten Mädchen mit einem frischgebackenen Hefezopf vor der Tür stehen sieht. Mit steifer Ausdruckslosigkeit bittet er sie herein. Dann beeilt er sich, den Schnaps, den er sich gerade eingegossen hat, hinter den Kochtöpfen zu verstecken, und fragt, ob die werten Damen vielleicht Kaffee möchten. Ein Tässchen sei sicher erlaubt, schließlich täten sie so, als wären sie alte Weiber, aber die Mädchen sagen, sie brauchen nichts.
Der Mann weiß, dass es dazu gehört, sich zu zieren, weshalb er trotzdem zum Kaffeekessel greift, erleichtert, etwas tun zu können, anstatt reden zu müssen. Mit einer gesprungenen Tasse schöpft er Wasser aus dem Eimer, zählt
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