Eine eigene Frau
Krankheitslehre, Ernährungslehre, Rassenlehre, Phänomenologie, Pflege, Vor- und Anspannen, Zuchtlehre sowie Entbindungslehre. Dazu natürlich Stallpflege und die Durchführung einfacher Operationen, zählt er stolz auf.
Hmmm, Zuchtlehre sogar!
Arvi wird rot. Na klar, da im Gut nun mal Pferdezucht betrieben werde. Das ist eine rohe Angelegenheit, wenn die Pferde rammeln, sagt Arvi auf Finnisch, wahrscheinlich die Stallknechte zitierend. Da kippt das Gatter und die Erde bebt, wenn man den Hengst nicht bändigt.
»Und du kannst ihn bändigen?«
»Natürlich.«
Aber das ist schon ziemlich gefährlich, weil so ein deckender Hengst der reinste Wirbelsturm sein kann. Manchmal ist er so brünstig, dass die Hufe kaum den Erdboden berühren. Dann muss man die Stute vor seiner wilden Kopflosigkeit schützen. Und den Hengst vor der Stute, weshalb diese so angebunden wird, dass sie sich praktisch nicht bewegen kann. Deckhengste sind kostbare Tiere.
»Wollen die Stuten das denn nicht? Gedeckt werden?«
Saida bemüht sich, die Frage möglichst gleichgültig zu stellen, um die beschämende Tatsache zu vertuschen, dass ihr Einzelheiten dieses Akts noch immer unklar sind. Ein paarmal hat sie gesehen, wie sich Hunde oder Katzen im Gebüsch gepaart haben, aber der tiefe Sinn des bestürzend kurzen und im Grunde ekelhaften Stoßens ist ihr noch nicht vollständig aufgegangen.
Arvi erklärt, die Willigkeit der Stute werde normalerweise mit einem Versuchshengst getestet. Diesen lasse man in die Nähe der Stute, erlaube ihm aber nicht, ernst zu machen. Zeigt die Stute Wohlwollen und verhält sich freundlich, wird der eigentliche Deckhengst geholt, damit er die Angelegenheit zu Ende führt.
Der Junge geht im Raum umher und doziert wie ein Lehrer. Rhythmisch kommt die Männerstimme aus dem schmächtigen Jungenkörper. Er ist eindeutig stolz, dass er mit seinem Wissen glänzen kann, vielleicht genießt er es auch, das Bewusstsein des Mädchens mit so wilden Vorstellungen zu füllen.
»Wie gemein!«
Saida findet, dass die arme Stute grausam betrogen wird. Sie mag doch das erste Pferd und möchte mit ihm ein Fohlen haben. Arvi lacht. Die Stute bekommt auf jeden Fall, was sie will. Man müsse eigentlich mehr Mitleid mit dem armen Versuchshengst haben, der die gesamte schwierige Annäherungsprozedur übernimmt, am Ende aber immer ohne dasteht. Saida versteht das nicht so recht.
»Ohne was?«
»Na, ohne es .«
Beide schweigen beschämt. Saida steht in Tante Bettys rotem Kleid vorm Spiegel und schaut über die Kristallfläche auf den Jungen. Ob man es irgendwann mal sehen könnte?, fragt sie.
»Was?«
»Na, wenn es die Pferde tun.«
Arvi schüttelt bestürzt den Kopf. Auf keinen Fall. Pferde decken lassen sei einzig und allein Männersache. Saida sei völlig von Sinnen, so etwas auch nur vorzuschlagen. Sogar manch erfahrener Mann habe sich bei dem Vorgang schon die Knochen gebrochen.
Er erzählt vom Stallmeister des Nachbarguts, dem der brünstige Hengst die Zähne eingetreten habe. Und ein Bauer in Somero habe auf einem Auge die Sehkraft verloren, sodass er später aus Versehen den ganzen Stall angezündet habe und sich und seine Pferde mit. Außerdem müsse der Helfer zur Gewährleistung des Deckens etwas tun, bei dessen Anblick wahrscheinlich jedes Mädchen in Ohnmacht fiele.
»Nämlich was?«
Der Junge wird rot und lächelt, antwortet aber nicht. Saida betrachtet ihn neugierig mit zur Seite geneigtem Kopf. Eine Weile wägt sie innerlich verschiedene Möglichkeiten ab. Arvi begegnet Saidas forschendem Blick im Spiegel und hört auf zu lächeln. Das Mädchen dreht sich um, dann fragt sie, ob Arvi mal einen echten Generalssäbel in Händen halten wolle.
Arvi fährt sich durchs blonde Haar.
»Und wie soll das gehen?«
Saida erzählt, ihr sei der Auftrag erteilt worden, das Zimmer von General Mannerheim aufzuräumen und zu heizen, während die Herrschaften mit ihren Gästen das Abendessen zu sich nehmen.
Arvi sieht sie argwöhnisch an.
Aber es ist die Wahrheit. Diese anspruchsvolle Aufgabe ist Saida tatsächlich erteilt worden. Oma, die sich normalerweise immer über Erfolge ihrer Enkeltochter freut, ist diesmal nicht so begeistert gewesen, wie man hätte glauben können. Schließlich sagte sie, ihr sei zu Ohren gekommen, der General habe gern hübsche Mädchen um sich herum. An sich sei das nichts Schlimmes, aber Oma fand, in das Schlafzimmer eines solchen Generals sollte man besser eine erfahrenere und ältere Person
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