Eine eigene Frau
unsereiner auch tun«, brüstet sich Lennu Lindroos.
Eine Formation Gänse fliegt über sie hinweg und lenkt alle für einen Moment von dem Mann ab, der die Schlange vom Boden aufgehoben hat. Mit den anderen sieht Saida dem scheinbar mühelosen Zug der Vögel gegen den Wind zu, bis sie allmählich am Horizont verschwinden. Jemand gibt Joel ein Messer, und damit schneidet er die Schlange zwischen den gezackten Streifen auf, von oben bis unten. Saida wendet sich ab und geht den Hügel hinauf. Eine Weile hört sie noch trockenes Altmännerlachen.
Sie tilgt das Bild mit den roten Innereien der aufgeschnittenen Schlange aus ihrer Vorstellung und denkt an die Entscheidung, die sie für Arvi getroffen hat. Nach der Zubereitung des Abendessens würde sie zu Osku Venho gehen und ihm ihr Anliegen vortragen. Arvi Malmberg braucht einen Ofen, in dem man die vier mal sieben Brote backen kann, die ihm Saida fortan einmal in vier Wochen backen wird.
Saida hat alles genau geplant. Nichts sonst kann Arvi noch davor bewahren, in einem dunklen Tal zu versinken, aus dem es keinen Weg zurück mehr gibt. Saida weiß, aus wie vielen Quellen sich die untröstliche Einsamkeit und der Hass gegen sich selbst bei Arvi speisen, doch am schlimmsten nagt an ihm die Entscheidung, die er an einem sonnigen Tag im Mai auf der Straße nach Vaskio treffen musste. Diese Entscheidung konnte er sich nicht verzeihen. Aber Saida konnte es.
Auf dieses letzte und am Ende einzige Mittel, Arvi Malmberg zu retten, kam Saida in den Nächten, in denen sie sich neben ihrem Mann hin und her wälzte oder sich an ihn drückte. Besorgt und zugleich gerührt hörte sie Sakaris Herzschlägen und seinem gleichmäßigen Atem zu, der bisweilen von einem sanften Prusten unterbrochen wurde. Sie schob ihre Hand in die große Hand des Mannes, der sie sogleich schützend umschloss, obwohl er fest schlief. Da dachte Saida an Arvi, dessen Hand sich noch nie mit der Hand eines anderen Menschen vereinigt hatte und je vereinigen würde, während Saidas und Sakaris Hände sich jede Nacht fanden.
Und in jenen nächtlichen Stunden, in denen sie wach lag, forderte Saida von Gott die Antwort auf eine Frage, die von Kindheit an in ihr gebohrt hatte. Warum hatte Gott das Pferd auf den Hinterbeinen gehalten und dadurch verhindert, dass seine Vorderhufe das unter ihm stehende Sonntagskind zermalmten? Was für eine besondere, Kraft und Opferbereitschaft fordernde Aufgabe hatte Gott für das Sonntagskind im Sinn gehabt, als er verhindert hatte, dass der vom Wirbelsturm in die Luft geschleuderte Heureuter auf es herabfiel? Ihre Mutter hatte gesagt, diese Ereignisse bezeugten, dass Saida auserwählt sei, aber die Mutter hatte nicht zu sagen gewusst, für welche Aufgabe.
Saida verstand, dass sie sich nach und nach ihres Auftrags bewusst geworden war: Sie sollte Dinge tun, zu denen andere nicht fähig waren.
Sie verstand es und verstand es nicht.
Als sie glaubte, erkannt zu haben, wie Arvi zu retten wäre, worin ihre Pflicht bestand, war der innere Konflikt fast unerträglich. Sie schnellte hoch, stellte sich im Bett auf und schrie auf den gerade erst eingeschlafenen Sakari hinab: »Auch wenn die Berge von ihrem Platz weichen und die Hügel zu wanken beginnen – meine Liebe wird nie von dir weichen und der Bund meiner Ehe nicht wanken!«
Sakari brach in Gelächter aus und fragte, ob es nicht die Huld gewesen sei, die nicht weiche, und der Bund des Friedens, der nicht wanke. Allerdings gab er sofort zu, sich womöglich falsch zu erinnern, immerhin sei Saida die Tochter des Predigers. Doch wie auch immer, vielleicht wäre sie jetzt trotzdem so freundlich und würde aufhören im Bett herumzuhüpfen wie ein durchgedrehtes kleines Mädchen.
An jenem Oktobernachmittag, an dem die Mantelmöwe mit voller Fracht die Halikko-Bucht verlässt und Joel Tammisto eine Kreuzotter verzehrt, ohne auch nur Bauchgrimmen zu bekommen, hat Saida bereits Frieden mit ihrer Entscheidung geschlossen und handelt von da an ohne Zögern und so genau wie der Mond, der alle vier Wochen in vollem Umfang am Himmel steht und 14 Tage später unsichtbar geworden ist. Sie bekommt noch zwei Kinder, deren Vater Sakari ist. Dessen ist sie sich ganz sicher, denn ihre Berechnungen können nicht falsch sein, und ihr Körper täuscht sie nicht.
Die Erinnerung an die Folgsamkeit ihres Körpers in jenen Jahren muss Saida Salin später helfen, in den schwersten Stunden ihres Lebens, als sie zuerst ihre jüngste Tochter verliert und
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