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Eine eigene Frau

Eine eigene Frau

Titel: Eine eigene Frau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Lander
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Regisseur deswegen nachbohrt, schüttelt der nur den Kopf. Kustaa ist gerade dabei, auf der Bühne des Arbeiterhauses einen Blumenzaun zu malen. Dieser Ort zieht Saida unwiderstehlich an, obwohl sie weiß, dass sie bei dem Stück nicht mitmachen kann, ohne ihrem Vater den Krieg zu erklären. Für die Liebenden von Verona wäre sie bereit, daheim in die Schlacht zu ziehen, jedoch nicht für eine dürftig zusammengeschusterte, geradezu abstoßende Eheposse. Mit spöttischem Groll verfolgt sie Kustaas Arbeit an den Blütenblättern.
    »In der Widerspenstigen gibt es gar keine Gartenszene.«
    Stimmt, aber eine Rosenhecke braucht man in jedem Stück, erklärt Kustaa in der Hocke schwankend, denn hinter der kann man so gut verschwinden.
    Saida verlangt weiterhin nach einer Erklärung, warum dem Regisseur die Liebenden von Verona nicht recht gewesen sind.
    Kustaa sagt, die Handlung des Schauspiels sei ziemlich nichtssagend und dem Leben fremd.
    »Wieso? Ganz und gar nicht!«
    Die Empörung des Mädchens kann Kustaas feste Meinung nicht erschüttern. Er ist strikt davon überzeugt, dass die Dorfbewohner nie im Leben glauben würden, vernünftige Menschen könnten sich nur deswegen Gift in den Rachen werfen, weil gewisse Liebesspielchen mehr oder weniger schiefgegangen sind. Und wenn sie schon was schlucken, dann müssen sie nach Auffassung moderner Menschen auch sterben. Als gäbe es im Leben nichts Wichtigeres zu beklagen. So ein Schauspiel, das auf blödsinnigen Verwechslungen beruht und seine Hauptfiguren wegen unnötiger Angst in eine an sich bedauerliche Tragödie stürzt, würde das zahlende Publikum nur zornig machen und verärgern. Es würde Kustaa nicht wundern, wenn man sogar das Eintrittsgeld zurückverlangen würde.
    Saida, in deren Fantasie Romeo ziemlich genau die Gestalt von Sakari Salin angenommen hat, versteht kein bisschen, wovon Kustaa spricht.
    »Und die Widerspenstige ärgert keinen?«
    Nein, versichert Kustaa und fährt sich durch den Haarschopf, sie spreche im Gegenteil den aufgeklärten Menschen an, weil in ihr die Essenz des realen Lebens enthalten sei.
    Ach, das soll das wahre Leben sein, dass ein Mann aus reiner Gemeinheit bei seiner eigenen Hochzeit in Lumpen erscheint?, stichelt Saida mit roten Flecken auf den Wangen. Und die für ihr schmutziges Mundwerk bekannte Braut plötzlich kein Wort mehr herausbringt? Die Widerspenstige ist wohl wirklich nicht ganz bei Vernunft, wenn sie zuerst allen gegenüber wegen nichts und wieder nichts rasend wird und dann ihrem schrecklichen Mann gegenüber keinen Mucks macht.
    Zu allem Überfluss wirkt die so hoch gepriesene Schwester der Hauptfigur offen gesagt wie eine affige Kuh. Wenn sie, Saida, so eine Quengelschwester hätte, würde sie allerdings auch verrückt werden. Und es ist ja wohl auch sehr wahrheitsgetreu, dass viele Männer in allen Ländern über kurz oder lang ihre Frauen schlagen und schlecht behandeln, vor allem im Suff, aber die wenigsten dann doch unmittelbar nachdem man den Altar verlassen hat. Anscheinend haben Ausländer, speziell die Italiener, eine sehr dürftige Kinderstube.
    Kustaa erinnert daran, dass Herr Shakespeare ein Engländer gewesen sei.
    »Gut, aber das Stück handelt doch von Italienern, oder?«
    »Stimmt. Sollte man das nicht mal abmachen?«
    Kustaa deutet auf die Paketschnur, die sich Saida unbemerkt um den Zeigefinger gewickelt hat, sodass er dunkelrot geworden ist. Verlegen löst das Mädchen die Schnur.
    »Meinem Vater würde es nicht gefallen, wenn ich mitmache.«
    Kustaa nickt. Als wüsste er das nicht. Er fragt nicht, warum sie dann überhaupt bei der ersten Leseprobe erschienen ist. Was ihn verdammt ärgert, ist die Tatsache, dass seine eigene Schwester Esteri gleich anschließend zu Herman und Emma laufen und petzen musste, die Saida sei bei der Leseprobe für dieses anstößige Schauspiel gewesen.
    Wie erwartet bekam Herman einen Tobsuchtsanfall und brachte wieder einmal seine Frau heftig zum Weinen, für die sich offenbar die Erziehung von gerade mal zwei Töchtern zu anständigen Menschen als übermächtige Aufgabe erwies. Während er, Herman, mit Schweiß auf der Stirn und dampfendem Hintern für dieses undankbare Pack geschuftet habe, sei es Emma nicht gelungen, dem leichtfertigen Mädchen etwas anderes beizubringen, als hinterrücks Mätzchen zu machen und sich und die Familie völlig zu blamieren!
    Ja, Herman hat mit aller Gründlichkeit klargestellt, dass Saida bei jenem verantwortungslosen Unsinn nur über

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