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Eine Evatochter (German Edition)

Eine Evatochter (German Edition)

Titel: Eine Evatochter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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ihrer Brust, am Band um den Hals oder an der Hüfte getragen. Dem Beobachter zeigte diese Gesellschaft nicht nur die glänzenden Farben des Schmuckes, sie hatte eine Seele, lebte, dachte und fühlte. Verhehlte Leidenschaften gaben ihr das Gepräge. Man konnte den Austausch boshafter Blicke auffangen, das Verlangen, das weiß gekleidete, unbesonnene Mädchen verrieten, konnte die Bosheiten belauschen, die eifersüchtige Frauen sich hinter dem Fächer sagten, und die übertriebenen Komplimente, die sie einander machten.
    Diese geschmückte, frisierte, parfümierte Gesellschaft gab sich einem Festtaumel hin, der zu Kopfe stieg, wie ein berauschender Dunst. Es war, als stiegen von allen Stirnen und aus allen Herzen Gefühle und Gedanken empor, die sich verdichteten und durch ihre geballte Masse auch die Kältesten betörten. Als dieser berauschende Abend seinen Höhepunkt erreichte, zog es Frau Felix von Vandenesse unwiderstehlich, mit Nathan zu plaudern. Er stand in einer Ecke des vergoldeten Salons, in dem ein bis zwei Bankiers, Gesandte, frühere Minister und der alte unmoralische Lord Dudley, der zufällig dazu kam, beim Spiel saßen. Vielleicht gab Frau von Vandenesse jenem Rausch nach, der auch den Verschwiegensten oft ihre Geheimnisse entlockt.
    Beim Anblick dieses Festes und des Glanzes einer Welt, zu der er bisher keinen Zutritt gehabt hatte, wurde Nathans Herz von doppeltem Ehrgeiz gequält. Er sah Rastignac, dessen jüngerer Bruder mit 27 Jahren Bischof geworden war, dessen Schwager, Martial de la Roche-Hugon, Minister war, während er selbst Unterstaatssekretär war und, wie es hieß, die einzige Tochter des Barons von Nucingen heiraten sollte. Er sah als Mitglied des Diplomatischen Korps einen unbekannten Schriftsteller, der für eine seit 1830 zum Regierungsblatt gewordene Zeitung die ausländische Presse übersetzte, sah Artikelschreiber im Staatsrat, Professoren als Pairs von Frankreich und erkannte mit Schmerzen, daß er auf dem Holzwege war, wenn er den Umsturz dieser glänzenden Aristokratie predigte, in der die Talente, die Glück hatten, die erfolggekrönte Geschicklichkeit und die wahre Überlegenheit glänzten. Blondet, der so viel Unglück gehabt, der im Journalismus so wenig erreicht hatte, aber hier lieb Kind war, konnte, wenn er nur wollte, durch seine Beziehungen zur Gräfin Montcornet noch den Pfad des Erfolges beschreiten. Er war in Nathans Augen ein schlagendes Beispiel für die Macht gesellschaftlicher Beziehungen. Im Herzensgrunde beschloß er, auf Überzeugungen zu pfeifen, genau wie de Marsay, Rastignac, Blondet und Talleyrand, das Haupt dieser Sekte, nur mit Tatsachen zu rechnen, sie zu seinem Vorteil zu wenden, in jedem System eine Waffe zu sehen und eine so gut eingerichtete, so schöne, so natürliche Gesellschaft nicht zu erschüttern.
    »Meine Zukunft,« sagte er sich, »hängt von einer Frau ab, die zu dieser Gesellschaft gehört.« Dieser, in der Glut eines wilden Verlangens erzeugte Gedanke erfüllte ihn, als er sich auf die Gräfin von Vandenesse stürzte, wie ein Sperber auf seine Beute. Das holde Geschöpf in seinem Schmuck von Marabufedern, der die reizvolle Weichheit Lawrencescher Porträts hervorrief, wurde durch die kochende Energie des vor Ehrgeiz rasenden Dichters betört. Lady Dudley, der nichts entging, begünstigte dies Zwiegespräch, indem sie den Grafen von Vandenesse mit Frau von Manerville zusammenbrachte. Diese zog Felix kraft ihres alten Einflusses in die Schlingen eines Disputs voll herausfordernder Worte und Anvertrauungen, die sie durch Rotwerden verschönte, voll bedauernder Anspielungen, die sie ihm wie Blumen zu Füßen warf, und voller Anschuldigungen, bei denen sie sich ins Recht setzte, um Unrecht zu erhalten. Es war das erstemal seit ihrem Bruch, daß die beiden sich unter vier Augen sprachen. Während die alte Geliebte ihres Gatten in der Asche ihrer erloschenen Freuden nach ein paar Funken wühlte, verspürte Frau Felix von Vandenesse jenes heftige Herzklopfen, das bei jeder Frau die Gewißheit hervorruft, etwas Unrechtes zu tun und auf verbotenen Wegen zu wandeln. Solche Wallungen sind nicht ohne Reiz und erwecken so viele schlummernde Kräfte. Noch heute, wie im Märchen von Blaubart, greifen alle Frauen gern nach dem blutbefleckten Schlüssel – eine prachtvolle mythologische Vorstellung, ein Ruhmesblatt Perraults.

Der Dramatiker kannte seinen Shakespeare. Er entrollte ein Bild seiner Leiden, erzählte von seinem Kampf mit Menschen und Dingen,

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