Eine Evatochter (German Edition)
sich nur um diese Dinge selbst kümmern, ja ihnen den Wert ihrer Launen geben, die in einem Wutanfall einen Fächer, eine Räucherschale zerbrechen, die einer Königin würdig sind, und laut aufschreien, wenn man einen Porzellannapf für zehn Franken zerschlägt, aus dem ihre kleinen Hunde trinken. Ihr Speisesaal voll erlesenster Geschenke gibt einen rechten Begriff von dem Durcheinander dieses königlichen, geringschätzigen Luxus. Alle Wände, selbst die Decke, trugen Vertäfelungen aus geschnitztem Eichenholz, die durch matte Goldleisten gehoben waren. Die einzelnen Felder waren von Putten umrahmt, die mit Fabeltieren spielten. Das flirrende Licht fiel hier auf eine Skizze von Descamps, dort auf einen Gipsengel, der ein Weihwasserbecken hielt, eine Gabe von Antonin Moine; weiterhin auf irgendein kokettes Bild von Eugen Deveria, eine düstre spanische Alchymistengestalt von Louis Boulanger, einen eigenhändigen Brief Lord Byrons an Karoline in einem von Elschoet geschnitzten Ebenholzrahmen und als Gegenüber einen Brief Napoleons an Josephine. Das alles war ohne jede Symmetrie, aber mit unauffälliger Kunst gehängt. Der Geist wurde gleichsam überrascht. Es lag Koketterie und Lässigkeit darin, zwei Dinge, die sich nur bei Künstlern vereint finden. Auf dem Kamin, einem reizenden Schnitzwerk, stand nichts als eine seltsame Florentiner Elfenbeinstatue, dem Michelangelo zugeschrieben, ein Faun, der unter dem Fell eines jungen Hirten ein Mädchen findet; das Original befindet sich im Schatze zu Wien; weiterhin auf beiden Seiten eine Pechpfanne von einem Renaissancekünstler. Eine Stutzuhr von Boule auf einem Untersatz von Schildpatt mit eingelegten Arabesken prangte in der Mitte eines Wandfeldes zwischen zwei Statuetten, die aus irgendeiner zerstörten Abtei stammten. In den Ecken glänzten hohe Stehlampen, wahre Prachtstücke, mit denen ein Fabrikant ein paar zugkräftige Reklamen für die Notwendigkeit der Ausstattung der Lampen mit japanischen Becken bezahlt hatte. Auf einem wunderbaren Ständer prunkte kostbares Silberzeug, der Siegespreis eines Kampfes, in dem ein englischer Lord die Überlegenheit der französischen Nation anerkannt hatte, ferner Porzellan mit erhabenen Figuren; kurz, der erlesene Luxus eines Künstlers, der kein andres Kapital hat als seine Einrichtung.
Das violette Schlafzimmer war der Traum einer Tänzerin im Beginn ihrer Laufbahn: mit weißer Seide gefütterte Samtvorhänge, die über einen Tüllschleier drapiert waren; die Decke aus weißem, durch violetten Satin gehobenen Kaschmir; am Bettfuß ein Hermelinteppich; unter dem Betthimmel, der einer umgestülpten Lilie glich, eine Laterne, um Zeitungen vor ihrem Erscheinen zu lesen. Ein Salon in Gelb, durch Ornamente in der Farbe der Florentiner Bronze belebt, stand im Einklang mit all dieser Pracht. Aber jede genaue Beschreibung käme nur einem öffentlichen Anschlag zum Zweck der Versteigerung gleich. Um etwas Vergleichbares für all diese Herrlichkeiten zu finden, hätte man zwei Schritt weiter zu Rothschild gehen müssen.
Sophie Grignoult, mit dem üblichen Theaternamen Florine genannt, hatte trotz ihrer Schönheit auf kleinen Bühnen begonnen. Ihren Erfolg und ihren Wohlstand verdankte sie Raoul Nathan. Die Verknüpfung ihrer beiden Lebensschicksale, in der Literatur- und Theaterwelt keine Seltenheit, tat Raoul keinerlei Abbruch, denn er wahrte als bedeutender Mann den Anstand. Florines Glück stand gleichwohl nicht auf festen Füßen. Ihre Zufallseinkünfte beruhten auf ihren Engagements und Gastspielen und reichten kaum für ihre Toilette und ihren Haushalt aus. Nathan vermehrte sie durch einige Beisteuern, die er neuen Industrieunternehmungen auferlegte. Aber wiewohl er stets galant und ihr Beschützer war, hatte seine Protektion doch nichts Regelmäßiges und Sicheres. Diese Unsicherheit, dies In-den-Tag-hinein-leben erschreckte Florine nicht. Sie glaubte an ihr Talent, glaubte an ihre Schönheit. Dieser robuste Glaube hatte etwas Komisches für alle, die sie ihre Zukunft darauf bauen sahen, wenn man ihr Vorhaltungen machte. »Ich werde Renten haben, wenn es mir beliebt, welche zu haben,« pflegte sie zu sagen. »Ich habe bereits fünfzig Franken im Staatsschuldbuch.«
Niemand begriff, wie sie bei ihrer Schönheit sieben Jahre verborgen bleiben konnte. In Wahrheit aber wurde Florine schon mit dreizehn Jahren Statistin und trat zwei Jahre später auf einer obskuren Boulevardbühne auf. Mit fünfzehn Jahren ist weder Schönheit noch
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