Eine Evatochter (German Edition)
Talent vorhanden; ein weibliches Wesen ist dann noch ein Wechsel auf die Zukunft. Damals war sie achtundzwanzig Jahre, der Gipfelpunkt der Schönheit der Französinnen. Die Maler sahen bei Florine vor allem den Glanz ihrer weißen Schultern mit dem olivenfarbenen Schimmer in der Nackengegend; aber diese Schultern waren fest und glatt; das Licht spielte darauf wie auf einem Moireestoff. Wandte sie den Kopf, so entstanden an ihrem Halse wundervolle Falten, die Bewunderung der Bildhauer. Auf diesem majestätischen Halse trug sie das Köpfchen einer römischen Kaiserin, den eleganten, feinen, runden, energischen Kopf der Poppäa, mit Zügen von geistreicher Korrektheit und der glatten Stirn der Frauen, die Sorgen und Nachdenken verscheuchen, die leicht nachgeben, aber auch störrisch sein können wie Maulesel und dann nichts mehr hören. Diese wie mit einem Meißelhiebe geformte Stirn krönten schöne aschblonde Haare, die nach römischer Art vorn in zwei gleichen Massen gerafft waren und am Hinterkopf einen Knauf bildeten, der den Kopf verlängerte und durch seine Farbe die Weiße des Nackens unterstrich. Feine schwarze Augenbrauen, wie von einem chinesischen Maler gemalt, umrahmten ihre weichen Lider, durch die ein Netz rosiger Adern schimmerte. Ihre lebhaft strahlenden Augäpfel waren durch braune Streifen gescheckt, die ihrem Blick die grausame Starrheit von Raubtieren gaben und die kalte Bosheit der Kurtisane unterstrichen. Ihre wundervollen Gazellenaugen waren von schönem Grau und von langen schwarzen Wimpern überschattet, ein reizender Gegensatz, der den Ausdruck lauernder, stiller Wollust noch fühlbarer machte. Um die Augen lagen müde Schatten, aber ihr künstlerischer Augenaufschlag oder Seitenblick, um etwas zu beobachten oder nachdenklich zu scheinen, der Bühnenkunstgriff, starr vor sich hinzublicken und ihre Augen dabei hell aufleuchten zu lassen, ohne den Kopf zu bewegen, ohne eine Miene zu verziehen, und die Lebhaftigkeit ihrer Blicke, wenn sie einen ganzen Saal durchmaß, um einen Menschen zu suchen, machten ihre Augen zu den furchtbarsten, sanftesten und eigenartigsten auf der Welt. Die Schminke hatte die holde Durchsichtigkeit ihrer zarten Wangen zerstört, aber wenn sie auch nicht mehr erröten und erblassen konnte, so hatte sie doch ein Näschen mit rosigen, leidenschaftlichen Nasenflügeln, wie geschaffen, um die Ironie und Spottlust der Molièreschen Mägde auszudrücken. Ihr sinnlicher, verschwenderischer Mund, ebenso geschaffen zur Bosheit wie zur Liebe, wurde durch die beiden Ränder der Furche verschönt, die die Oberlippe mit der Nase verbanden. Ihr weißes, etwas starkes Kinn deutete auf ein gewisses Ungestüm in der Liebe. Ihre Hände und Arme waren einer Königin würdig. Aber ihre Füße waren breit und kurz, ein untilgbares Zeichen ihrer niedren Herkunft. Nie hat ein Erbstück gleiche Sorgen verursacht. Florine hatte alles versucht, außer der Amputation, um die Form ihrer Füße zu ändern. Sie blieben widerspenstig wie die Bretonen, denen sie ihr Leben verdankte; sie widerstanden allen Sachverständigen, allen Behandlungen. Florine trug hohe, innen gefütterte Schnürstiefel, um eine Biegung ihres Fußes vorzutäuschen. Sie war mittelgroß, neigte zum Starkwerden und hatte pralle Hüften.
Was ihren Charakter betraf, so kannte sie alle Zierereien und Neckereien, alle Würzen und Schäkereien ihres Handwerks in- und auswendig. Sie gab ihnen sogar einen besonderen Reiz, indem sie die Kindliche spielte und aus den philosophischen Bosheiten in ein harmloses Lachen hinüberglitt. Anscheinend unwissend und unbesonnen, war sie im Rechnen und in der geschäftlichen Rechtskunde sehr stark. Hatte sie doch Elend genug durchgekostet, bevor sie die Höhe ihrer zweifelhaften Erfolge erklommen hatte! Durch wieviel Abenteuer war sie von Stockwerk zu Stockwerk bis zum ersten hinabgelangt! Sie kannte das Leben, von der Stufe, wo man mit Brie-Käse beginnt, bis zu der, wo man nachlässig Ananasbeignets schlürft, von der Stufe, wo man sich im Winkel eines Dachstübchens auf einem irdenen Herd wäscht und kocht, bis zu der, wo man den Heerbann der dickbäuchigen Kochkünstler und der frechen Soßenbereiter aufbietet. Sie hatte den Kredit in Anspruch genommen, ohne ihn zu überspannen. Sie wußte alles, was die anständigen Frauen nicht wissen, sprach alle Sprachen, war ein Kind des Volkes aus Erfahrung und adlig durch ihre Schönheit. Sie war schwer zu überraschen und setzte alles voraus, wie ein
Weitere Kostenlose Bücher