Eine fabelhafte Liebesgeschichte (German Edition)
hatte eher selten mit solch gut genährten, voll Kraft strotzenden Wesen zu tun. Meist kamen nur sehr schwache oder besonders dumme Tiere in seine Praxis. Beispielsweise diese hirnlosen Hasen, die ihre elendigen Wunden lecken und diese dadurch schlimm entzünden. Oder diese hysterischen Hühner, denen alle drei Tage ein Ei im Hintern stecken bleibt. Am nervigsten sind allerdings die Wölfe. Immer zu Vollmond heulen und jaulen diese, aus einem medizinisch unbekannten Drang heraus, und zerren sich reihenweise ihre Stimmbänder. Einen Tag nach Vollmond ist die Praxis deshalb immer geschlossen. Die Liste der Patienten war lang, sehr lang sogar. Im Kopf markierte der Schimpanse stets die Namen mit einem großen D und etwas seltener mit einem S.
„Dumm, dumm, dumm, schwach, dumm.“ schalte es im Kopf des Schimpansen, wenn er sich der Patientenliste widmete. Da konnte man sich glücklich schätzen, einmal eine etwas fordernde Aufgabe zu haben.
„Sie befinden sich nicht auf meiner Liste.“
„Wir sind auf Reisen und ich halte es nicht mehr aus bis nach Hause!“
Bedächtig setzte der Schimpanse seine Brille auf und richtete sich ein paar Utensilien auf den Tisch. Von einem eisernen Tablett griff er eine halbierte Kokosnuss und setzte sie auf die Brust des Tigers. Ein kalter Schauer lief dem Kranken über den Rücken. Der Schimpanse setzte sein Ohr auf die gegenüberliegende Öffnung und lauschte den Klopfgeräuschen des Herzens.
„Aha!“ Langsam wanderte er in die Mitte, verharrte kurz und tastete sich danach weiter runter in Richtung des Bauchs. Seine Beobachtungen markierte er stets mit einem leisen „Aha!“.
Zum Schluss setzte er die Kokosnuss erneut in der Mitte des Körpers an. „Ok! Das müsste es sein!“
Der Tiger hatte eine wahnsinnige Angst vor der Diagnose. „Bestimmt habe ich ein Tumor oder ein Gerinnsel, mit viel Glück könnte es auch eine Herzrhythmusstörung sein.“
Der Schimpanse setzte seine Brille ab und griff sich ein monströses Buch aus einem Regal. Aufgeklappt hätte das Buch wohl gut als Zelt für die Maus benutzt werden können. Der Schimpanse blätterte und blätterte. Jede Seite schaukelte die Anspannung des Tigers in die Höhe.
Plötzlich verharrte er ungefähr in der Mitte des Buches und präsentierte den Inhalt seinem Patienten. Oben rechts
befand sich eine Schlange, die sich um einen Stab schlängelte und gleich daneben war in dicken Buchstaben Refluxösophagitis zu lesen. Darunter befanden sich Bilder von blutigen und gereizten Schleimhäuten, die den Tiger zwangen wegzuschauen.
„Verdammte Krallenkacke! Das hört sich sehr, sehr schlecht an.“
„Herr Tiger, ihre Symptome sind eindeutig!“
Ein bisschen in Trance nahm der Tiger nur noch einzelne Wortfetzen auf. Sein Mund war staubtrocken, was sein unangenehmes Gefühl in der Brust deutlich verschlimmerte. Selbst das immer rote Fell färbte sich, womöglich wegen all der Angst und Angespanntheit, allmählich braun.
„Refluxösophagitis ist ihnen wohl eher unter Sodbrennen ein Begriff!“
Wie durch ein Wunder löste sich die unglaubliche Anspannung. Sogar die Todesängste waren auf einen Schlag verschwunden. Die Maus konnte sich ein Lachen nicht verkneifen und küsste die Pfote des Tigers.
„Sodbrennen?“
„Genau. Das viele Reisen könnte sich hier bemerkbar machen. Oftmals ist der Auslöser Stress und Anspannung. Man könnte meinen sie haben Heimweh, Herr Tiger!“
„Und nun?“
„Sie sollten mehr trinken und langsamer essen. Säurehaltiges Essen könnte ihrem Magen auch gut tun.“
Der Schimpanse wandte sich nun seiner Patientenliste zu und ergänzte den Namen des Tigers.
„Ein klarer D- Fall.“ dachte sich der Schimpanse und ergänzte ein großes D hinter den Aufschrieb des Tigers.
Auch zu dieser Lebenslage erinnerte sich der Tiger an einen der wunderbaren Zettel seiner Maus.
Bärlin
Der Weg führte die beiden an vielen grauen Städten vorbei. Wenig Schönes gab es hier zu sehen. Graue Häuserfassaden, rauchende Schornsteine und bedeckte Himmel waren allgegenwärtig. Man hatte das Gefühl in diesen Städten scheine nie die Sonne. Und so richtig warm wurde es auch selten. Diese Region war der wirtschaftliche Motor des Reichs der Adler. Ein sehr effizienter, wenig schöner Motor!
Der Tiger befürchtete, dass Bärlin genauso sein würde und verlor etwas die Vorfreude.
Gegen Mittag erblickte die Maus als Erste die Gebäude Bärlins. Von weitem konnte man erneut lediglich graue Häuser und
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